Kliniken müssen bald Mindestbesetzung mit Pflegern einhalten Von Sascha Meyer, dpa

Der akute Personalmangel in der Pflege trifft auch die Kliniken. In
vielen Stationen sind Mitarbeiter am Limit oder darüber hinaus. Die
Regierung zieht nun Untergrenzen ein - das reicht längst nicht allen.

Berlin (dpa) - Krankenhaus-Patienten sollen sich künftig in wichtigen
Abteilungen auf eine feste Mindestbesetzung mit Pflegekräften
verlassen können. Dafür kommen zum 1. Januar 2019 verpflichtende
Untergrenzen für Intensivstationen sowie Abteilungen für Kardiologie,
Geriatrie und Unfallchirurgie. Gesundheitsminister Jens Spahn will
sie in einer Verordnung festschreiben, die wohl noch in dieser Woche
in Kraft treten soll. «Ein Mangel an Pflegekräften gefährdet
Patienten», sagte der CDU-Politiker am Montag. Deswegen würden nun
Mindeststandards definiert. Das Ziel sei: «Wer zu wenig Pflegekräfte
für zu viele Patienten hat, muss Betten abbauen.»

Die Untergrenzen sollen für vier Bereiche der Krankenhäuser gelten,
in denen Patienten besonders auf Pflege angewiesen sind. Konkret soll
in Intensivstationen in der Tagschicht künftig eine Pflegekraft für
höchstens 2,5 Patienten da sein, nachts für 3,5 Patienten. In einer
zweiten Stufe ab 1. Januar 2021 soll sich tagsüber eine Pflegekraft
um höchstens zwei Patienten kümmern, nachts um maximal drei. Dabei
gilt in der Regel die Zeit von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr als Tagschicht.

In der Unfallchirurgie sind ab 1. Januar 2019 tagsüber maximal 10
Patienten pro Pfleger zulässig, nachts 20 Patienten. Dieser Schlüssel
gilt auch für die Geriatrie, also spezialisierte Abteilungen für alte
Patienten. In der Kardiologie, die Herzerkrankungen behandelt, muss
tagsüber eine Pflegekraft für maximal 12 Patienten da sein, in den
Nachtschichten für nicht mehr als 24 Patienten zugleich.

Die Pläne sind Teil von Bemühungen, die Personalnot in der Pflege zu
lindern - in der Krankenpflege sind bundesweit rund 12 000 Stellen
für Fachkräfte und Helfer unbesetzt. Die Bundesregierung hat deswegen
schon mehrere Vorhaben auf den Weg gebracht, um die oft belastenden
Arbeitsbedingungen zu verbessern. So soll in Krankenhäusern jede
aufgestockte Stelle von den Krankenkassen bezahlt werden. Spahn legt
die Untergrenzen nun fest, nachdem Verhandlungen zwischen Kliniken
und Kassen gescheitert waren. Die Pläne müssen nicht ins Kabinett.

Geregelt werden soll nun auch, dass überwiegend höher qualifizierte
Fachkräfte präsent sein müssen. Der Anteil von Hilfskräften an der

Gesamtzahl der Pflegekräfte darf demnach in Intensivstationen maximal
acht Prozent betragen. In Unfallchirurgie und Kardiologie dürfen es
tagsüber höchstens 10 Prozent Hilfskräfte sein, nachts 15 Prozent -
in der Geriatrie in der Tagschicht 20 Prozent und nachts 40 Prozent.
Ausnahmen von den Untergrenzen sind generell möglich, wenn plötzlich
viel Personal wegen Krankheit ausfällt oder auf einmal besonders
viele Patienten kommen - etwa bei Epidemien oder Unfallkatastrophen.

Patientenschützer und die Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV)
befürworten die Pläne, fordern aber deutlich weitergehende
Verbesserungen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sprach von
einem «ersten Schritt». Nötig sei aber eine Personalbemessung, die
sich an Patientenbedürfnissen und der Pflegequalität orientiere - und
dann auch für alle Stationen mit Pflegekräften gelte.

Der GKV-Spitzenverband erklärte, mit den Untergrenzen könne sich
zumindest in diesen Bereichen keine Klinik mehr vor Mindeststandards
drücken. Sie dienten aber nur dazu, Patientengefährdung zu vermeiden,
und seien bestenfalls mit einer Schulnote vier zu vergleichen.
«Gerade noch versetzt, aber alles andere als gut», sagte GKV-Sprecher
Florian Lanz der dpa. Ziel müsse es sein, dass Kliniken für
ausreichend Personal am Krankenbett sorgen.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisierte unzureichende Regeln
zu Ausnahmen. «Schon größere Unfälle können dazu führen, dass
Kliniken Patienten abweisen müssten, um die Untergrenzen einzuhalten.
In Zeiten anerkannter Personalknappheit in der Pflege brauchen die
Krankenhäuser größere Flexibilität.»

Spahn sagte: «Damit sich Krankenhäuser darauf einstellen können,
führen wir die Mindeststandards schrittweise, aber konsequent ein.»
Seine Pläne hat er noch etwas geändert. So werden nun nicht noch
extra Vorgaben für Wochenenden gemacht. Der Minister setzt auch auf
eine bessere regionale Zusammenarbeit unter den Kliniken. «Wenn es in
einer Stadt drei Krankenhäuser gibt, braucht ja nicht jedes eine
Unfallchirurgie oder eine Kardiologie», sagte er dem «Handelsblatt».