Mit Doktorhut, aber ohne Kittel: Warum viele Mediziner nicht arbeiten

In Elternzeit, im Ruhestand oder im Ausland: Mehr als 8000 Ärzte in
Hessen arbeiten nicht. Liegt hier ein Potenzial, den Landarztmangel
zu bekämpfen?

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Tausende zugelassene Mediziner in Hessen
sind nicht als Ärzte in einer Praxis oder einer Klinik tätig. Das
geht aus der aktuellen Mitgliederstatistik der Landesärztekammer
Hessen hervor. Anders als im Nachbarland Rheinland-Pfalz gibt es in
Hessen aber keine politische Initiative, sie bei einem Wiedereinstieg
zu unterstützen, um dem drohenden Ärztemangel entgegenzuwirken.

Von den knapp 37 000 Ärzten in Hessen arbeiten aktuell rund 14 500 in
Krankenhäusern und gut 11 000 in Praxen. Dazu kommen 2500 Ärzte mit
«sonstiger ärztlicher Tätigkeit»: Sie sind zum Beispiel bei Firmen

als Arbeitsmediziner tätig oder bei Pharmaunternehmen angestellt,
arbeiten als Gutachter, Medizinjournalist oder Praxisvertreter.

8282 approbierte Mediziner in Hessen üben der Statistik zufolge eine
«nicht-ärztliche Tätigkeit» aus. Größte Gruppe dabei sind knapp
6700
Ärzte im Ruhestand. 767 Mediziner sind zu Hause - oft, weil sie an
ihrer Doktorarbeit schreiben, wie die Landesärztekammer mitteilt. 709
Kammermitglieder leben im Ausland, 419 Mediziner waren im August 2018
in Elternzeit, 289 berufsunfähig, 232 übten eine nicht «berufsfremde

Tätigkeit» aus, 147 waren arbeitslos.

Die Zahl der nicht aktiven Mediziner in Hessen steigt kontinuierlich
an. Vor zehn Jahren waren es der Landesärztekammer zufolge knapp 6500
- rund 1850 weniger als heute. Das liegt vor allem an der höheren
Zahl der Ärzte im Ruhestand. Gewachsen ist aber auch die Zahl der
Kammermitglieder, die im Ausland leben. Fast halbiert hat sich seit
2008 unterdessen die Zahl der arbeitslosen Ärzte.

Rheinland-Pfalz unterstützt Mediziner nach einer längeren Pause
gezielt beim Wiedereinstieg. Seit 2017 gibt es vom Land finanzierte
Wiedereinstiegskurse. «Wir haben in Rheinland-Pfalz viele Ärztinnen
und Ärzte, die approbiert sind, aber ihren Beruf nicht oder nicht
mehr ausüben, zum Beispiel weil sie sich die ärztliche Tätigkeit nach

einer längeren Erziehungszeit nicht mehr zutrauen», teilte das
dortige Gesundheitsministerium bei der Vorstellung des Programms mit.
Wiedereinsteiger könnten «mit dazu beitragen, die medizinische
Versorgung auf hohem Niveau zu sichern», sagte Gesundheitsministerin
Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD).

Das hessische Sozialministerium betont, dass es durchaus Angebote für
Wiedereinsteiger gibt. In Frage kämen zum Beispiel sogenannten
Repetitorien, mit denen sich viele Studierende auf ihre Prüfungen
vorbereiten, Einsteigerkurse der Akademie für ärztliche Fortbildung
der Landesärztekammer oder Fortbildungen der Kassenärztlichen
Vereinigung.