Dubiose Geschäfte mit Tigern und Löwen in Tschechien Von Michael Heitmann, dpa

In Tschechien gibt es immer mehr Privatzoos mit Raubkatzen. Ein
grausamer Fall hat nun ein Schlaglicht auf mangelnde Kontrollen und
kriminelle Machenschaften geworfen: Mehrere Tiger wurden für die
traditionelle asiatische Medizin getötet.

Prag (dpa) - Der Polizeibericht liest sich nüchtern: Das Herrchen
führte seine Löwin an der Leine aus. Ein Mountainbike-Fahrer näherte

sich auf dem Waldweg. «Es kam zum Kontakt zwischen der Löwin und dem
vorbeifahrenden Radfahrer, der anschließend einen Arzt aufsuchen
musste», notierten die Beamten.

Was sich wie eine Nachricht aus dem Tigerland Indien anhört, geschah
tatsächlich vor kurzem in der kleinen tschechischen Gemeinde Zdechov
(Sdiechow) im Osten des Landes. Völlig überraschend kommt der -
glimpflich ausgegangene - Vorfall nicht: Die Haltung von Raubkatzen
erlebt in Tschechien seit einigen Jahren einen regelrechten Boom.

Tomas Kocourek ist Bürgermeister von Zdechov und - obwohl sich sein
Nachname zufälligerweise als «kleiner Kater» übersetzen lässt - k
ein
großer Freund der gassigehenden Raubkatzen in seinem Ort. «Mich rufen
entsetzte Mütter an, die mit ihren Kindern auf Spaziergang sind»,
sagt der Lokalpolitiker der Deutschen Presse-Agentur. Solche
Begegnungen seien keine Seltenheit.

Juristisch hat Kocourek nach eigenen Angaben kaum eine Möglichkeit,
gegen die Raubtierhaltung vorzugehen. Verboten ist sie nicht. «Ich
kann nichts unternehmen, außer dem Besitzer ins Gewissen zu reden»,
sagt der Bürgermeister, der seit November 2006 der
600-Seelen-Gemeinde vorsteht. Nur einige wenige in dem Ort an der
Grenze zur Slowakei würden die Löwenhaltung begrüßen - als Werbung

für den Tourismus.

Mehr als 250 Großkatzen leben in Tschechien bei privaten Haltern und
Züchtern. Bei den kommunalen Tierparks stößt das auf wenig
Verständnis. «Ich halte es persönlich für falsch, die Haltung von
Löwen oder Tigern als Privatvergnügen zu betreiben», sagt Miroslav
Bobek, Direktor des Prager Zoos. Er ist mit mehr als anderthalb
Millionen Besuchern im Jahr der größte des Landes.

Bobek fordert seit Jahren rechtliche Regeln zum Schutz der seltenen
Tiere - und der Öffentlichkeit. «Selbst einen Hund muss man in der
Stadt an der Leine führen - einen Löwen aber nicht», sagt der
Zoologe. In Tschechien gebe es eine ganze Reihe von sogenannten
«Zooparks» oder «Bioparks», in denen die Raubkatzen unter
unzureichenden Bedingungen litten. Mit einem richtigen Zoologischen
Garten, so wie dem seinen, habe dies nichts gemein.

In einem solchen «Biopark» waren Mitte Juli zwei Tiger und ein Löwe
aus ihren Transportkäfigen entkommen. Die Polizei musste mit einem
Großaufgebot anrücken. Die Bewohner eines nahen Dorfes durften ihre
Häuser nicht verlassen. Am Ende konnten die Tiere mit Schüssen aus
dem Narkosegewehr betäubt werden. Sie hatten sich in aller Ruhe einen
schattigen Platz unter einer Kiefer ausgesucht.

Tragisch endete indes das Leben von mindestens drei Tigern in einem
anderen «Zoopark» bei Prag. Bei einer Razzia, ebenfalls Mitte Juli,
machte die Polizei einen grausamen Fund: Neben einem frisch getöteten
Tiger stießen sie auf tiefgefrorene Kadaver, auf Tigerfelle und
Produkte wie «Tigerwein» - in Spirituosen eingelegte Tigerknochen.

Die Ermittler sind überzeugt, dass die Körperteile für die
traditionelle chinesische Medizin verwendet werden sollten. Auf dem
Schwarzmarkt in Asien werden hohe Preise für Tigerprodukte gezahlt,
da ihnen heilende Kräfte nachgesagt werden. Dieser Aberglaube ist
dort seit Jahrhunderten verankert.

Drei Verdächtige tschechischer und vietnamesischer Nationalität
sitzen nun in Untersuchungshaft. Das Medieninteresse ist enorm, denn
unter den Beschuldigten ist auch ein entferntes Mitglied einer
angesehenen Zirkusfamilie. Der Zirkus distanzierte sich öffentlich
von dem Mann.

Nach dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen CITES ist jeder
kommerzielle Handel mit Tigerprodukten verboten. Die orange-schwarz
gestreiften Raubkatzen gelten als stark bedroht. Dennoch scheinen die
jüngsten Enthüllungen in Tschechien kein Einzelfall zu sein. Nach
Recherchen der Organisation Vier Pfoten wurden zwischen 1999 und 2016
mehr als 8200 illegale Tigerprodukte wie Tiger-Suppenwürfel, Zähne
und Krallen in der EU beschlagnahmt.

Ein Kilo Tigerknochen bringt den Tierschützern zufolge auf dem
Schwarzmarkt im Schnitt 1700 Euro ein. Die tschechische Regierung hat
nun erste Gegenmaßnahmen angekündigt, darunter einen Exportstopp für

lebende Tiger in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union. Nicht
immer ist klar, was dort mit ihnen geschieht. Die Tierschützer von
Vier Pfoten warnen jedenfalls: «Der legale Handel befeuert den
illegalen Handel.»