Amerikanische Rebzikade: Klimawandel begünstigt neue Schädlinge Von Thomas Maier, dpa

Deutschlands Winzer müssen mit Insekten kämpfen, die bisher in
Mitteleuropa keiner kannte. Das ist nicht das einzige Problem, das
steigende Temperaturen dem Weinbau bescheren.

Geisenheim (dpa) - Im benachbarten Elsass, in der Schweiz und in
Österreich hat sich der Schädling schon breitgemacht. Jetzt soll das
Übersiedeln der amerikanischen Rebzikade nach Deutschland mit Hilfe
von speziellen Fallen in den Weinbergen und einem strengen Monitoring
verhindert werden. «Sie steht vor den Toren», sagt Annette Reineke,
die Expertin für die Erkrankung von Pflanzen ist. Die Professorin
leitet das Institut für Phytomedizin an der Weinbau-Hochschule in
Geisenheim im Rheingau (Hessen).

In Frankreich wütet die Zikade bereits seit Jahren - und wird dort
schon mit der amerikanischen Reblaus verglichen, die Anfang des 19.
Jahrhunderts dem Weinbau in vielen Landstrichen Europas den Garaus
machte. Genau genommen ist es nicht das Insekt selbst, sondern ein
von ihm übertragenes Bakterium, das den Weinstock befällt.

Zwar wurde die invasive Art schon vor 60 Jahren erstmals in Südeuropa
nachgewiesen. Doch ihren anscheinend unaufhaltsamen Vormarsch nach
Norden verdankt die Wärme liebende Zikade dem Klimawandel. Sie ist
zugleich der Beweis dafür, dass die höheren Temperaturen an Rhein,
Main, Neckar oder Mosel auch den Rebschutz vor ganz neue
Herausforderungen stellen.

Die nach Mitteleuropa eingeschleppten Insekten vermehren sich in den
wärmeren Gefilden in der Regel stärker und haben höhere Populationen.

Das gilt auch für die Kirschessigfliege, die von Asien nach Europa
eingewandert ist und seit einigen Jahren den Winzern und Obstbauern
schwer zu schaffen macht. In milden Wintern kann sie gut überleben
und in feucht-warmen Sommern hohe Populationen aufbauen.

Neben den neuen Schädlingen kommt noch ein zweites Problem hinzu: Das
Klima ist unvorhersehbar geworden. Ein Jahr kann es nass und
verregnet sein. Dieses Jahr ist es so trocken und heiß wie 2003 -
damals wurde voreilig schon vom «Jahrhundertsommer» gesprochen. Auch
innerhalb eines Jahres können die Ausschläge der Witterung inzwischen
enorm sein. Für den Winzer macht das den Pflanzenschutz immer
schwieriger. «Er muss oft von einer Woche auf die andere Woche
reagieren und weiß erst ganz kurzfristig, worauf er sich einstellen
muss», sagt Reineke.

Zusammen mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) mit seinen 16
Messstationen und dem Weinbauamt Eltville gibt die Hochschule
Geisenheim den Winzern im Rheingau und an der hessischen Bergstraße
Empfehlungen, wie sich die Schädlinge im Weinberg entwickeln und was
gespritzt werden muss. Generell werden nur wenig Insektizide im
Weinberg eingesetzt - der Anteil der Fungizide, die gegen Pilze
wirken, ist weit höher.

Bei der seit 2011 in Deutschland vorkommenden Kirschessigfliege, die
vor allem die roten Trauben befällt, finden Insektizide allerdings
wieder verstärkt Anwendung. Für den Weinbau stehen neue Mittel zur
Verfügung, die aber teils als problematisch gelten, weil sie auch
Bienen gefährlich werden können.

Gegen die Rebzikade wird in den betroffenen Ländern ebenfalls mit
Insektiziden vorgegangen - darunter ist auch ein biologischer
Wirkstoff für den ökologischen Weinbau. In Frankreich greifen die
Winzer oft dreimal im Jahr zu Insektiziden. Sollte die Zikadenart und
das von ihr übertragene Bakterium auch in Deutschland nachgewiesen
werden, müssten die befallenen Stöcke komplett vernichtet werden,
sagt Reineke.

Für den auf möglichst wenig Spritzmittel setzenden «integrierten»
Weinbau oder den Öko-Weinbau sind das düstere Aussichten. Aber noch
ist die Zikade nicht im Land. Geisenheim sieht sich zumindest
gewappnet: Die Hochschule steht im engen Austausch mit der
südwestfranzösischen Universität Bordeaux, die bei der Bekämpfung d
er
Zikade schon jahrelange Erfahrungen hat.

Bei der Kirschessigfliege gibt es dieses Jahr Entwarnung. Die liebt
es feucht: In den vergangenen Monaten war es ihr einfach zu heiß, wie
Reinhard Antes, Vorsitzender der Bergsträßer Winzergenossenschaft in
Heppenheim sagt. «Da wird nichts mehr anbrennen», glaubt er. Peter
Seyffardt, Präsident des Rheingauer Weinbauverband, gibt sich etwas
zurückhaltender: «Wir wissen nicht, was noch kommt».

Eines steht für die Forscher fest: In einigen Jahrzehnten wird der
Wein anders schmecken. Schon jetzt steigt der Alkoholgehalt in den
Trauben - bei verminderter Säure. Davon profitieren Rotweinsorten,
die bisher in Deutschland nicht angebaut wurden. Doch beim Riesling,
dem deutschen Vorzeigeprodukt auch in Übersee, ist diese Entwicklung
nicht erwünscht. Er könnte zu den Verlierern gehören.