Koalitionsstreit über Bedingungen für größere Beitragsentlastung

Arbeitnehmer und Unternehmen sollen zum Jahreswechsel weniger für die
Arbeitslosenversicherung zahlen. Doch wie viel weniger genau?

Berlin (dpa) - Die große Koalition streitet über Bedingungen für eine

stärkere Entlastung beim Arbeitslosenbeitrag. Sozialminister Hubertus
Heil (SPD) bekräftigte, dass eine deutlichere Senkung vorstellbar
wäre als bisher vereinbart - aber unter Voraussetzungen. «Wenn wir
bei der Qualifizierung und dem Schutz bei Arbeitslosigkeit zu guten
Lösungen kommen, bin ich bereit, ein Stück darüber hinauszugehen»,

sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag). Für die
Union sagte Fraktionschef Volker Kauder (CDU), immer neue Bedingungen
des Ministers überzeugten ihn derzeit nicht. Kommen solle «eine
kräftige Senkung» auch als Ausgleich für steigende Pflegebeiträge.


Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD festgelegt, den Beitragssatz
zur Arbeitslosenversicherung zum 1. Januar 2019 um 0,3 Punkte auf
2,7 Prozent des Bruttolohns zu senken. Die Beitragszahler sollen so
um 3,5 Milliarden Euro entlastet werden. Heil hatte schon angedeutet,
dass - eventuell befristet - bei der Senkung etwas «draufgelegt»
werden könnte. Er pochte nun aber erneut auf Bedingungen. «Ich werde
nicht die Kassen plündern, nur weil sich die Union das wünscht.»

Kleine und mittlere Firmen müssten unterstützt werden, wenn sie in
Weiterbildung investieren, sagte Heil in dem Interview. Zudem müsse
man darauf reagieren, dass es immer mehr kurzfristig Beschäftigte
gebe, etwa in IT-Projekten. Sie zahlten Beiträge, bekämen aber nie
etwas heraus: «Mein Vorschlag ist, den Schutz in der
Arbeitslosenversicherung für alle zu gewährleisten, die mindestens
zwölf Monate innerhalb von drei Jahren Beiträge gezahlt haben.» Auch

SPD-Fraktionsvize Katja Mast betonte, Qualifizierung werde gebraucht,
um die Digitalisierung zu meistern. «Wer die Debatte rein auf den
Beitragssatz verkürzt, verkennt, um was es wirklich geht.»

Kauder bekräftigte, es gebe Spielraum für eine Senkung um 0,6 Punkte.
«Wir dürfen als Koalition keinesfalls zulassen, dass in Zeiten einer
sehr guten Wirtschaftslage 2019 die Belastung für die Unternehmen und
Arbeitnehmer noch steigt», sagte er dem RND (Samstag). Hintergrund
ist, dass der Beitrag zur Pflegeversicherung ebenfalls zum 1. Januar
2019 steigt. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat eine Anhebung
um 0,3 Punkte angekündigt, hält aber auch eine Größenordnung von
0,5 Punkten für realistisch. Derzeit liegt der Satz bei 2,55 Prozent
des Bruttoeinkommens, Kinderlose zahlen 2,8 Prozent.

Zu Heils Forderung zum Arbeitslosengeld für Kurzzeitbeschäftigte
sagte Kauder dem RND, schon jetzt seien die Voraussetzungen für den
Bezug so ausgestaltet, dass auch Menschen, die in Projekten immer nur
zeitweise beschäftigt sind, angemessen abgesichert seien.

Die FDP kritisierte, die Entlastung dürfe «kein Zusatzgeschäft im
Koalitionsbasar» sein. Angesichts übervoller Kassen und ausreichender
Reserven sei es eine Zumutung von Heil, die dringend nötige starke
Beitragssenkung an irgendwelche Bedingungen knüpfen zu wollen, sagte
FDP-Arbeitsmarktexperte Johannes Vogel. Linke-Chef Bernd Riexinger
warnte vor einer Plünderung der Kassen, die benachteiligten Menschen
zugutekommen sollten. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA),
Detlef Scheele, hatte vor einer zu hohen Senkung gewarnt. Eine
Minderung um 0,6 Punkte würde die BA ins Minus führen. Bis zum Ende
des Jahres rechnet sie mit einem Finanzpolster von 22,5 Milliarden
Euro. Mit dem Geld sollen wirtschaftliche Flauten abgefedert werden.