Spätes Handeln - Woidke verspricht Aufklärung im Pharmaskandal

Im Pharmaskandal um gestohlene Krebs-Medikamente aus Griechenland lag
der Fokus lange auf Brandenburg. Zunehmend wird klar, dass fragliche
Medikamente bei Patienten in mehreren Bundesländern landeten.

Potsdam (dpa/bb) - Im Pharmaskandal hat Brandenburgs Regierungschef
Dietmar Woidke (SPD) eine umfassende Aufklärung zugesagt. Es müsse
geklärt werden, was bei der Aufsicht und Kontrolle schief gelaufen
sei, sagte Woidke am Donnerstag in einer erneuten Sondersitzung des
Gesundheitsausschusses des Landtags in Potsdam. Mehrfach verwies er
darauf, dass der in zwei Wochen erwartete Untersuchungsbericht der
eingesetzten Expertenkommission abgewartet werden müsse.

In dem Skandal sollen die brandenburgischen Behörden jahrelang trotz
vorliegender Hinweise auf einen illegalen Medikamentenhandel des
Unternehmens Lunapharm nicht durchgegriffen haben. Lunapharm soll
Krebsmedikamente aus Griechenland vertrieben haben, die dort
gestohlen und wegen hoher Gewinnmargen nach Deutschland geliefert
wurden.

Im Raum Berlin-Brandenburg haben mindestens 220 Patienten solche
Medikamente erhalten - über drei auf Krebs spezialisierte Berliner
Apotheken, die von Lunapharm beliefert wurden. Das gesamte Ausmaß des
Skandals ist aber noch unklar. Offen ist auch die Frage, ob die
gestohlenen Krebsmedikamente womöglich unwirksam waren, weil sie auf
dem Weg von Griechenland nach Deutschland falsch gelagert oder
unzureichend gekühlt wurden.

Direkt an Brandenburger Apotheken wurden die Präparate nach
bisherigen Ermittlungen nicht geliefert. Betroffen sind nach einer
dpa-Umfrage aber Apotheken in Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz,
Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Bayern. In Bayern geht es um mehr
als 330 Arzneimittelpackungen. Aus anderen Bundesländern lagen
zunächst keine Rückmeldungen vor. Die Behörden der anderen Länder
wurden von Brandenburg erst in diesem Juli über den schwerwiegenden
Verdacht gegen Lunapharm informiert - mehr als zwei Jahre nach den
ersten Hinweisen auf krumme Geschäfte.

Woidke stellte sich dennoch hinter Gesundheitsministerin Diana Golze
(Linke). «Momentan hat Frau Golze mein vollstes Vertrauen», sagte
Woidke im Ausschuss. Vor wenigen Tagen hatte er allerdings auch eine
Umbildung des Kabinetts nach Vorliegen des Expertenberichts nicht
ausgeschlossen. Vor Journalisten sagte er, mit einer Veränderung an
der Spitze des Ministeriums wäre man derzeit nicht gut beraten. Es
gehe erst darum, die Sicherheit für die Menschen wieder herzustellen.
Nach dem Vorliegen des Berichts werde man entscheiden, welche
Strukturen im Land oder sogar europaweit verändert werden müssten und
auch, ob es personelle Konsequenzen gebe. Auch weitere Kommissionen
seien möglich.

Der Chef der vom Gesundheitsministerium in Potsdam eingesetzten
Expertenkommission, Ulrich Hagemann, sagte vor dem Ausschuss, es sei
seiner Meinung nach wahrscheinlich, dass die Medikamente in guter
Qualität an die Patienten gegangen seien. Es sei auch nicht richtig,
dass immer eine Kühlkette eingehalten werden müsse.

CDU-Generalsekretär Steeven Bretz, dessen Fraktion bereits die
Entlassung von Golze gefordert hatte, kritisierte, dass nicht die
Patienten in den Mittelpunkt gerückt würden. Er habe Zweifel, dass
Golze die Führungsstärke habe, den Skandal aufzuklären. «Sie
entschuldigen sich und reden sich raus», warf er ihr vor. Auch die
AfD hatte bereits die Entlassung von Golze verlangt.

Der FDP-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, Sebastian Czaja,
forderte eine Aufklärung auf Bundesebene. Bundesgesundheitsminister
Jens Spahn (CDU) müsse einen Runden Tisch mit allen
Gesundheitsministern der Länder einberufen und die Sorgen der
betroffenen Patienten ausräumen, erklärte Czaja. «Die Aufklärung
dieses Pharmaskandals muss von oberster Stelle geleitet werden -
alles andere ist unterlassene Hilfeleistung.»

Das Potsdamer Gesundheitsministerium verbreitete unterdessen eine
Chronologie der Ereignisse. Demnach gab es den ersten Hinweis auf
möglicherweise illegalen Medikamentenvertrieb durch Lunapharm in
Potsdam bereits am 2. Dezember 2016 in einer Mail des Bundesinstituts
für Arzneimittel und Medizinprodukte an das Ministerium, dem ein
Hinweis aus Polen beigefügt war. Massiv eingegriffen wurde aber erst,
nachdem das ARD-Magazin «Kontraste» Mitte Juli berichtet hatte.