Spahn: Pflege ist kein Markt wie jeder andere

Kommt das Geld für die Pflege Heimbewohnern und Fachkräften zugute?
Oder gelingt es Investoren, sich stattliche Renditen zu sichern? Die
Diskussion ist angesichts fehlender Fachkräfte wieder entbrannt.

Berlin (dpa) - Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich gegen
überbordende Gewinnziele in der Pflege auf Kosten von Personal und
Pflegebedürftigen gewandt. «Pflege ist kein Markt wie jeder andere»,

schrieb der CDU-Politiker in einem Beitrag für das «Handelsblatt»
(Donnerstag). Private Anbieter seien für einen funktionierenden
Wettbewerb unabdingbar und leisteten einen entscheidenden Beitrag, um
Milliardeninvestitionen in Heime und Angebote stemmen zu können.
Pflegebedürftige seien aber nicht mit normalen Kunden zu vergleichen,
da die Mehrheit von ihnen alt, krank oder dement sei. «Daher gibt es
staatliche Kontrollen und Vorgaben für eine gute Pflege.»

Die Politik führe damit jedoch nicht den Sozialismus ein. «Die Frage
ist nur, ob ein kapitalmarktgetriebenes Fokussieren auf zweistellige
(!) Renditeerwartungen angemessen wäre. Und wenn ich mir einen so
personalintensiven Bereich unseres Sozialwesens anschaue, dann lautet
meine Antwort: «Eher nicht!»», schrieb der Minister. Es brauche einen

verbindlichen Rahmen für Personalausstattung und Bezahlung. «Einen
Wettbewerb, wer seine Mitarbeiter am schlechtesten behandelt, wollen
wir jedenfalls definitiv nicht.»

Die SPD-Pflegeexpertin Heike Baehrens sagte: «Es darf nicht sein,
dass anonyme Finanzinvestoren mit Pflegeheimen hohe Renditen auf dem
Rücken des Personals, der Pflegebedürftigen und zu Lasten der
Pflegeversicherung erwirtschaften.» Im Vordergrund stehen müssten
eine gute Versorgung und gute Arbeitsbedingungen. Der Spitzenverband
der Gesetzlichen Krankenversicherung begrüßte die Debatte. «Es geht
nicht darum, keine Renditen zu erzielen», sagte Vorstand Gernot
Kiefer. «Aber gerade weil die Pflege ein richtigerweise regulierter
Markt ist, muss man fragen, wohin die begrenzten Mittel fließen.» Sie
müssten für eine hochwertige Pflege eingesetzt werden.

Der Chef der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, sagte dem
«Handelsblatt», es sei gut, wenn der Minister «Lohndumping auf dem
Rücken der Beschäftigten und indirekt auf dem Rücken der Patienten»

Grenzen setzen wolle. Aus dem Arbeitgeberlager kam dagegen Kritik.
Der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste
(bpa), Rainer Brüderle, sagte der Zeitung: «Wo kommen wir denn da
hin, wenn wir nun verbandsmäßig oder auch staatlich festgesetzte
Gewinne verordnen?» Angesichts des Milliarden-Investitionsbedarfs sei
ihm lieber, Kapital fließe in die deutsche Pflege als ins Ausland.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz betonte, allein die Höhe der
Rendite sei kein Maßstab für ein gutes oder schlechtes Pflegeheim.
«Schließlich gibt es Häuser, die trotz geringer Profite schlechte
Pflege leisten», sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa. «Daher muss
sich Jens Spahn damit beschäftigen, dass die Versorgungsqualität für

Alte, Kranke und Demente stimmt.» Die FDP-Pflegepolitikerin Nicole
Westig sagte, den wenigen zu Recht in der Kritik stehenden Investoren
stünden mittelständische private Einrichtungen gegenüber. Sie
leisteten einen wichtigen Beitrag zur Versorgung, ihnen werde aber
durch Überregulierung und Personalmangel das Leben schwerer gemacht.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bekräftigte das Ziel, eine
bessere Bezahlung von Pflegekräften durchzusetzen. «Mein Ziel ist ein
Tarifvertrag, der für alle Beschäftigten in der Altenpflege
allgemeinverbindlich erklärt wird», sagte er dem Redaktionsnetzwerk
Deutschland (Donnerstag).