Wien beharrt auf Neuregelung des Kindergeldes - Lindner für Reform

Gleiches Kindergeld auch für Kinder im EU-Ausland? Diese in
Deutschland heftig diskutierte Frage hat Österreich für sich schon
beantwortet - und zwar mit Nein.

Wien (dpa) - Trotz Bedenken in Brüssel sieht Österreich gute Chancen,
dass die Höhe des Kindergeldes für im EU-Ausland lebende Kinder
künftig neu berechnet werden kann. Die Europäische Kommission habe
festgestellt, dass die EU-Staaten über die Zuerkennung und die
Berechnungsmethode von Familienleistungen selbst entscheiden dürften,
sagte die österreichische Familienministerin Juliane Bogner-Strauß
(ÖVP). Eine Anpassung sei damit im Einklang mit dem Europarecht.

Österreich plant im nationalen Alleingang eine Indexierung, also eine
Zahlung, die sich an den Lebenshaltungskosten in dem jeweiligen Land
orientiert. Die Neuregelung soll 2019 in Kraft treten. Die
EU-Kommission hatte zuletzt betont, eine Anpassung von Zahlungen an
die Lebenshaltungskosten am Wohnort des Kindes sei wegen des Verbots
von Diskriminierung nirgendwo im EU-Recht vorgesehen.

Über den - völlig legalen - Bezug von Kindergeld für Kinder im
Ausland wird derzeit in Deutschland stark diskutiert. Angeheizt wird
die Debatte, weil teils auch Hinweise auf Betrug vorliegen. FDP-Chef
Christian Lindner sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Höhe des
Kindergeldes «sollte sich an den tatsächlichen Unterhaltskosten in
dem Land orientieren, wo das Kind lebt - und die sind in
osteuropäischen Staaten eben niedriger als in Deutschland». Bayerns
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte in der «Augsburger
Allgemeinen» (Samstag) «Mechanismen, die Sozialmissbrauch wirksam
unterbinden».

Die auch in Deutschland aufgeflammte Debatte über das Kindergeld - in
Österreich Familienbeihilfe genannt - sei dringend nötig, sagte
Bogner-Strauß der Deutschen Presse-Agentur. Es gehe um eine «neue
Gerechtigkeit». Sie argumentierte, die Lebenshaltungskosten seien in
der EU einfach unterschiedlich hoch. Die Familienbeihilfe anzupassen,
sei deshalb nur fair.

«Die neue Regelung ist für alle Kinder gleich, unabhängig von ihrer
Nationalität, aber abhängig davon, wo sie leben», betonte
Bogner-Strauß. Eine Indexierung, also Anpassung, könne in bestimmten
Fällen, wenn Kinder in der Schweiz oder Skandinavien wohnten, auch
eine Erhöhung bedeuten. Der Beschluss der Regierung im Mai sei durch
eine Vervielfachung der Ausgaben in den vergangenen Jahren ausgelöst
worden. Fälle von Missbrauch seien in Österreich aber nicht bekannt.

Österreich hat 2017 rund 253 Millionen Euro für im Ausland lebende
Kinder bezahlt. Die meisten von ihnen seien in Ungarn, der Slowakei,
Polen oder Rumänien zu Hause. Zum Beispiel erhalte ein in Rumänien
lebendes Kind rund 200 Euro aus Österreich, ein Vielfaches der
dortigen Leistungen. «Es gibt sogar Länder, die die Familienbeihilfe
besteuern. Dafür ist sie ganz sicher nicht gedacht.» Bei einer
Neuberechnung würde die Alpenrepublik rund 114 Millionen Euro sparen.
Die Gelder sollen der Ministerin zufolge für Familienzwecke
ausgegeben werden.

Es ist geplant, dass das Gesetz zum Jahreswechsel in Kraft tritt.
Eine abschreckende Wirkung zum Beispiel auf dringend gebrauchte
Pflegekräfte aus dem Ausland sieht die Ministerin nicht. Die meisten
Pfleger hätten bereits ältere Kinder. Dass ausländische Arbeitskräf
te
ihre Kinder nach Österreich holten, um eine höhere Familienbeihilfe
zu kassieren, befürchtet die Politikerin nicht. Familien, die nur
wegen der höheren Familienbeihilfe nach Österreich zögen, hätten
aufgrund der höheren Lebenshaltungskosten insgesamt höhere Ausgaben.

Mehrere Oberbürgermeister in Deutschland hatten im Zusammenhang mit
der Debatte von einer zunehmenden Migration in das deutsche
Sozialsystem gesprochen. So sieht Duisburgs Rathauschef Sören Link
(SPD) Schlepper am Werk, die Menschen in schrottreifen Wohnungen
unterbringen, ihnen Scheinbeschäftigungen verschaffen und oft einen
Teil der Kindergelder einbehalten. Genaue Zahlen zu einem Missbrauch
von Kindergeldzahlungen in Deutschland gibt es bisher aber nicht.

«Die Besorgnis der Oberbürgermeister ist gerechtfertigt», sagte
Lindner der dpa. «Es kann kein Ziel sein, dass sich jeder den
Wohlfahrtsstaat aussucht, der den persönlichen Bedürfnissen am besten
entspricht. So ist die Freizügigkeit im europäischen Arbeitsmarkt
nicht gemeint.» Wer hierzulande arbeite, Steuern und Sozialabgaben
zahle, habe natürlich einen Anspruch auf Kindergeld. Zahlungen nach
deutschem Niveau ins Ausland setzten aber falsche Anreize. «Daneben
gibt es eine viel geringere Zahl von wirklichen Missbrauchsfällen,
die alle durch bessere Verwaltungsabkommen und Datenaustausch
ausgeschlossen werden müssen», verlangte Lindner.