Grausiger Raubmord - Ex-Pflegerin und drei Männer vor Gericht Von Sabine Dobel, dpa

Sie sollte einen Kranken betreuen. Dabei aber soll die Pflegerin das
Haus ausgekundschaftet und später mit ihrem Sohn, ihrem Bruder und
einem Dritten einen Raubüberfall ausgeheckt haben. Nun stehen die
Polin und die drei Männer auch wegen doppelten Mordes vor Gericht.

München (dpa) - Die Täter gingen brutal vor. Mit einem kiloschweren
Uhrengewicht schlugen sie laut Anklage auf die Köpfe der Senioren
ein, schleiften sie an den Füßen in den Keller, so dass die Köpfe auf

den Steinstufen aufschlugen. Im Februar 2017 wurde eine Witwe in dem
oberbayerischen Weiler Höfen überfallen und ausgeraubt. Eine Freundin
und ein Bekannter, die zu Besuch waren, starben. Die Witwe überlebte
schwer verletzt.

Ausgerechnet die polnische Pflegerin, die bei der Betreuung des
Mannes der Frau geholfen hatte, soll nach dessen Tod zusammen mit
ihrem Bruder, ihrem Sohn und einem Dritten die Tat geplant haben.
Seit Mittwoch stehen die Ex-Pflegekraft und die drei Männer vor dem
Landgericht München II. Die Vorwürfe: Mord beziehungsweise versuchter
Mord, erpresserischer Menschenraub, schwerer Raub. Motiv: Habgier.

Die Polin habe bei ihrem Einsatz im September 2016 bemerkt, «dass das
Ehepaar sehr wohlhabend war und sowohl Schmuck als auch Bargeld in
dem Anwesen aufbewahrte», sagte Staatsanwältin Ines Wießner. Die
heute 50-Jährige habe mit ihrem Sohn (25) und ihrem Bruder (44) über
die mögliche Tat gesprochen; der Bruder rief einen 34-jährigen
Bekannten dazu, der nun mit auf der Anklagebank sitzt.

In der Nacht zum 23. Februar 2017 sollen die Männer in das Anwesen im
Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen eingedrungen sein. Wahrscheinlich
glaubten sie die damals 76-jährige Hausbesitzerin alleine, doch sie
hatte Besuch von einer gleichaltrigen Freundin und von einem
81-jährigen Bekannten aus Nordrhein-Westfalen. Laut Ermittlungen
stemmten die Täter ein Fenster auf. Dann schlugen sie der Anklage
zufolge mit dem Uhrengewicht, aber auch mit einem Schraubenzieher und
einer Taschenlampe auf die Köpfe der im Bett liegenden Senioren ein.

Waren es Drogen, die sie teils vor der Tat genommen haben wollen,
oder Planlosigkeit: Die Hausbesitzerin, von der sie das Versteck für
den Tresorschlüssel hätten erfahren können, schlugen sie bewusstlos.

Um das Versteck nun aus dem 81-Jährigen herauszupressen, sollen sie
ihn in den Schwitzkasten genommen, ihm den Schraubenzieher in die
Wange gestoßen und einen Kinnhaken versetzt haben. Doch der Mann
wusste nicht, wo der Schlüssel lag. So schleppten die Täter, nachdem
sie ihre Opfer eingesperrt oder gefesselt hatten, den fast 50
Kilogramm schweren Tresor ganz mit. Auch Bargeld in fünfstelliger
Höhe, Gold und Wertsachen packten sie ein - den Schmuck vergaßen sie.

Um nicht aufzufliegen, hätten die Männer womöglich schon bei der
Planung die Tötung der Witwe erwogen, sagte Staatsanwältin Wießner.
Das sieht die Verteidigung anders. Die Tat sei aus dem Ruder
gelaufen, sagte der Anwalt des Bruders, Hans Schröder, am Rande des
Prozesses.

Wie auch immer - der Fall könnte Sorgen wecken. Immer wieder gibt es
im Pflegebereich Berichte über Abrechnungsbetrug oder Tötungen durch
überforderte Helfer. Und gerade ermittelt die Staatsanwaltschaft
München in einem anderen Fall gegen einen polnischen Hilfspfleger,
der einen 87-jährigen Pflegebedürftigen in Ottobrunn bei München mit

Insulin getötet haben soll, um ihn zu bestehlen. Auch ein 84-Jähriger
im Landkreis Kitzingen könnte sein Opfer geworden sein.

Dass aber Pflegebedürftige zu Hause überfallen oder beraubt werden,
scheint sehr selten. Die polizeiliche Kriminalstatistik 2017 weist
neun Fälle bundesweit aus, in denen Menschen in häuslicher Pflege
Opfer von Raub oder Raubüberfällen wurden. Vier Frauen und ein Mann
wurden getötet, wobei die Statistik keine Hintergründe verrät.

Die Polizei wie auch Patientenschützer gehen davon aus, dass es sich
bei Höfen und bei dem polnischen Hilfspfleger um Einzelfälle handelt.
Selbst Diebstähle von Haushalts- oder Pflegekräften spielten keine
besondere Rolle, auch wenn offen sei, wie viel zur Anzeige komme,
sagt die Vize-Pressesprecherin der Münchner Polizei, Angela Samietz.

«Täter und Opfer gibt es in der privaten und in der professionellen
Pflege. Jedoch sind es Einzelfälle», sagt Eugen Brysch, Vorstand der
Deutschen Stiftung Patientenschutz. Wer zum Mörder werde, sei zudem
von niederen Motiven getrieben. Das sei die Ausnahme. Pflegehelfer
aus Mittelosteuropa würden oft in einem Graubereich beschäftigt.
«Ohne diese Hunderttausende von Helfern wäre die Pflege in
Deutschland schon längst zusammengebrochen.»

Für die Witwe aus Höfen wurde die Pflegerin ihres Mannes zur
Komplizin der Mörder ihrer Freunde. «Sie leidet noch immer unter den
Folgen der Tat, körperlich und psychisch, sagt Anwalt Derek Setz. Die
Witwe und der Sohn ihrer getöteten Freundin sind Nebenkläger - ins
Gericht, zu den mutmaßlichen Tätern, kamen beide nicht.