Dreck statt Idylle - Ruinieren Kühe Neuseelands grünes Image? Von Jule Scherer und Ivonne Marschall, dpa

Sauber und Grün, überall glasklares Wasser - mit diesem Image lockt
Neuseeland jedes Jahr Millionen von Touristen an. Doch gerade seine
saftigen Wiesen schaffen ungeahnte Probleme.

Wellington (dpa) - Eine Frau steht in einem Fluss in Neuseeland,
fängt Wasser in ihren Händen auf und trinkt genüsslich das
erfrischende Nass. Mit diesen Bildern und dem Slogan «100% Pure» (dt.
100 Prozent rein) wirbt das Land für seine spektakulären Landschaften
und unberührte Natur. Ein solcher Schluck direkt aus der Natur könnte
bei vielen neuseeländischen Flüssen und Seen jedoch böse Folgen für

das Wohlbefinden der trinkenden Frau haben. Grund dafür ist die
boomende Landwirtschaft des Inselstaats auf der Südhalbkugel.
Vielerorts mussten die angestammten Pflanzen und Sumpflandschaften
intensiver Bewirtschaftung sowie der wachsenden Städte weichen.

Nach Daten des Umweltministeriums ist vom Schwimmen in 44 Prozent der
überprüften Seen und 62 Prozent der Flüsse im Tiefland abzuraten. Vom

Trinken ganz zu Schweigen. Immer wieder gelangt verschmutztes Wasser
auch in die Trinkwasserversorgung, Erkrankungen und sogar Todesfälle
sind die Folge.

Ein Regierungsbericht aus dem vergangenen Jahr warnt, dass knapp
800 000 Neuseeländer - bei einer Bevölkerung von knapp 4,7 Millionen

- Wasser trinken, dass nicht nachweislich unbedenklich ist. Die
Wasserqualität habe sich in den vergangen Jahren kontinuierlich
verschlechtert, sagt Umweltminister David Parker. Als Gründe nennt er
schlechte Landnutzung und ungenügendes Abwasser-Management.

In Deutschland sind zum Vergleich zwar drei Viertel der Seen
ökologisch in einem mittelmäßig bis schlechten Zustand, wie aus einer

Antwort der Bundesregierung auf eine Grünen-Anfrage im April
hervorging. Die Badewasser-Qualität ist jedoch hoch: knapp 98 Prozent
der untersuchten deutschen Badestellen erfüllen EU-Mindeststandards.
Dies ging aus einem Bericht der Europäischen Umweltagentur EEA aus
dem Mai 2017 hervor.

Für diesen Bericht wird die Belastung der Gewässer mit Bakterien
untersucht, die beim Menschen Krankheiten verursachen können. Für die
Beurteilung der ökologischen Qualität werden hingegen andere
Messwerte erfasst, etwa die Belastung mit Pflanzenschutzmitteln oder
Nährstoffen wie Phosphaten und Nitraten, die vor allem aus der
Landwirtschaft kommen.

Neuseelands Umweltschützer machen die Millionen Kühe
mitverantwortlich, die die Landschaft bevölkern. Seit den 1970er
Jahren hat die intensive landwirtschaftliche Nutzung - und damit auch
der Einsatz von Düngemitteln und Unkrautvernichtern - stark
zugenommen. Die Milchwirtschaft dominiert den Agrarsektor.

Rinderurin ist stickstoffreich. Gelangt er ins Wasser, fördert dies
das Wachstum von Algen, auch von giftigen. Stickstoffdünger, der
ausgebracht wird, um die Ergiebigkeit der Weiden zu erhöhen,
verschärft das Problem. Nitrathaltiges Trinkwasser ist vor allem für
Säuglinge gefährlich. Ein noch größeres Problem stellt Rinderdung
dar. Dieser enthält unter anderem das Bakterium E.coli, das
Magen-Darm-Erkrankungen auslösen kann. Zudem leidet die einheimische
Pflanzen- und Tierwelt unter der intensiven Bewirtschaftung.

Seit 1994 stieg die Zahl der Milchkühe im Land um 70 Prozent auf
knapp 6,5 Millionen. Etwa 10 Prozent der neuseeländischen Bevölkerung
arbeitet in dem Sektor, der im vergangenen Haushaltsjahr Exporte im
Wert von umgerechnet 7,8 Milliarden Euro generierte und einen Anteil
von etwa 3,5 Prozent an Neuseelands Wirtschaftsleistung hat.

Damit ist die Milchwirtschaft einer der wichtigsten Wirtschaftszweige
- noch mehr Geld bringt aber der Tourismus, der vom Image der
sauberen Natur lebt. Der Zwist wurde auch zum Politikum.
Umweltminister Parker betonte, in einem sauberen Fluss zu baden, sei
das «Geburtsrecht jedes Neuseeländers.» Bis 2040 will die Regierung,

dass 90 Prozent aller großen Flüsse und Seen Badewasserqualität
haben.

Die Milchwirtschaft werde immer ein wichtiger Wirtschaftssektor
bleiben, aber: «Einige Aspekte müssen sich ändern, mit der
derzeitigen Menge an verunreinigten Abwässern kann es nicht so
weitergehen», fordert der Minister.

So sieht das auch die Mehrheit der Neuseeländer. Laut einer von der
Umweltorganisation Greenpeace in Auftrag gegebenen Umfrage glauben 52
Prozent der Befragten, dass zu viele Kühe die Gewässer überlasten.

Die Milchbauern selbst betrachten sich eher als Bewahrer der
Wasserqualität, wie David Burger, ein Umweltwissenschaftler der
Milchwirtschafts-Interessensvertretung DairyNZ erläutert. So hätten
die Bauern bislang etwa mehr als 90 Prozent der Zugänge zum Wasser in
ihren Weideflächen eingezäunt. Der Sektor verstehe seine Rolle bei
der Aufgabe, die Wasserqualität zu verbessern, doch um das Ziel zu
erreichen, müssten alle Nutzer in Stadt und Land zusammenarbeiten.