Merkel, Seehofer und Co - die Hauptakteure im Asylstreit

Berlin (dpa) - Sollen künftig mehr Migranten an der Grenze abgewiesen
werden? Die Frage hat das Potenzial, die Fraktionsgemeinschaft von
CDU und CSU zu sprengen. Die Beteiligten haben nicht alle die gleiche
Motivation. Und sie verfolgen auch nicht dieselben Ziele. Eine
Übersicht über die Akteure:

Angela Merkel - die Defensive: Die CDU-Kanzlerin wurde von der
Heftigkeit der Auseinandersetzung mit der Schwesterpartei CSU wohl
überrascht. Dabei hätte sie gewarnt sein müssen. Denn bis heute
hadern Seehofer und seine Partei mit Merkels Entscheidung von 2015,
als Hunderttausende weitgehend unkontrolliert ins Land kamen. Mit
ihrer Position reagieren die CSU-Politiker auch auf Unmut in der
Bevölkerung. Die Gründe für diesen graduellen Stimmungswandel sind
vielschichtig. Dazu gehören fehlerhafte Asylentscheide beim Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge, Mehrfachidentitäten, islamistische
Terroristen, die als Flüchtlinge kamen und Gewaltverbrechen wie die
Tötung der 14-jährigen Susanne aus Rheinland-Pfalz. Die Kanzlerin hat
erst versucht, Seehofers Pläne für eine Zurückweisung von
Asylbewerbern, die andernorts in der EU schon registriert wurden, zu
stoppen. Jetzt will sie schnell im europäischen Rahmen entsprechende
bilaterale Abkommen erreichen.

Horst Seehofer - der Angreifer: Der Bundesinnenminister ist erst seit
März im Amt, da sorgt er für eine der seit Jahren schwersten Krisen
in einer Bundesregierung. Als Minister für Inneres, Bau und Heimat
bekam der ehemalige bayerische Regierungschef ein «Superministerium»,
wie sein Parteifreund Andreas Scheuer schwärmte. Er gab dafür das Amt
als bayerischer Ministerpräsident an seinen ärgsten innerparteilichen
Rivalen, Markus Söder, ab, sicherte sich aber für weitere zwei Jahre
den CSU-Vorsitz. In der Flüchtlingspolitik liegt Seehofer mit Merkel
seit Sommer 2015 über Kreuz, weil die Regierungschefin die Grenzen
nicht schließen ließ, als Hunderttausende kamen. Von dem Lob, mit dem
er seinen Amtsvorgänger, Ex-Innenminister Thomas de Maizière (CDU),
im März noch bedacht hatte, ist nicht mehr viel übrig. Er sieht ihn
beim Bamf-Skandal mit in der Verantwortung. Dass Ausländer, für die
eine Wiedereinreisesperre gilt, trotzdem ins Land kommen und erneut
Asyl beantragen dürfen, ist aus Seehofers Sicht ein «Skandal».

Markus Söder - der Wahlkämpfer: Der 51-Jährige ist seit März
bayerischer Ministerpräsident. Von Seehofer hat er eine absolute
Mehrheit im Landtag übernommen. Söders Problem: Er will diese
Mehrheit bei der Landtagswahl am 14. Oktober verteidigen, was nach
den Umfragen aber schwierig wird - vor allem wegen der AfD, der ein
zweistelliges Ergebnis vorhergesagt wird. Dies kratzt am
Selbstverständnis der CSU, für die seit Franz Josef Strauß gilt, dass

es rechts von ihr keine demokratisch legitimierte Partei geben soll.
Standhaftigkeit in der Flüchtlingsfrage - das ist für Söder ein
Eckpfeiler im Wahlkampf. Deshalb steht er jetzt eng an der Seite
Seehofers - nachdem er mit diesem früher oft aneinandergeraten war.

Alexander Dobrindt - der Scharfmacher: Der CSU-Landesgruppenchef
treibt alle vor sich her - auch Seehofer. Dessen «Masterplan
Migration» war noch geheim, da sagte Dobrindt schon öffentlich, der
CSU gehe es um die Zurückweisung derjenigen Flüchtlinge an der
Grenze, die mit ihren Fingerabdrücken schon in anderen EU-Ländern
registriert sind. Dobrindt lässt sich gerne mit den Merkel-Kritikern
wie Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und FDP-Chef Christian
Lindner abbilden. Merkel wird das zur Kenntnis genommen haben. Die
meisten Bürger dachten bisher bei Dobrindt, der zuletzt
Verkehrsminister war, vor allem an Maut und Diesel-Abgase.

Volker Bouffier - der Vermittler: Der hessische Ministerpräsident und
CDU-Vize steht wie Söder vor einer Landtagswahl im Oktober. Ein Bruch
der Koalition wäre für ihn deshalb wohl eine schwere Hypothek. Er
wirbt bei der CSU dafür, der Kanzlerin für die Suche nach einer
Lösung auf europäischer Ebene etwas Zeit zu lassen - so wie es am
Montag auch von der CSU beschlossen wurde. Sein Credo: «Glaubt
jemand, dass in Deutschland etwas besser wird, dass wir deutsche
Interessen in Europa und in der Welt besser durchsetzen, wenn die
Einheit der Union zerschlagen wird?»

Andrea Nahles - die Besorgte: Die SPD-Vorsitzende beobachtet das
Armdrücken der Unionsparteien mit wachsendem Entsetzen. Sie will
jetzt einen Koalitionsgipfel, um zu verhindern, dass die
Fraktionsgemeinschaft der Konservativen und damit auch die Regierung
platzt. Denn für Neuwahlen wäre die SPD jetzt nicht gut aufgestellt.
In aktuellen Umfragen liegt sie bei 18 Prozent.