Der Fahrplan zum landesweit ersten Drogenkonsumraum steht Von Susanne Kupke, dpa

Sie gelten als ein Baustein, um das Überleben von Schwerstabhängigen
zu sichern: Drogenkonsumräume, auch «Fixerstuben» genannt. Der
landesweit erste Raum dieser Art kommt nach Karlsruhe. Es gibt noch
viel zu tun.

Karlsruhe (dpa/lsw) - Monatelang wurde in der grün-schwarzen
Landesregierung darum gerungen - nun steht dem in Karlsruhe geplanten
landesweit ersten Drogenkonsumraum nichts mehr im Weg. Damit das
Vorhaben von 2019 an für zunächst drei Jahre realisiert werden kann,
bedarf es noch einiger Vorbereitung. Nicht jeder ist überzeugt von
der Einrichtung, in der schwerst Drogenabhängige mitgebrachte
Rauschmittel wie Heroin und Kokain unter hygienischen Bedingungen
konsumieren können. «Ein Drogenkonsumraum kann und darf nur Ultima
Ratio sein», betont etwa die CDU-Landtagsfraktion, die erst vor
wenigen Tagen grünes Licht gegeben hat.

Welche Hürden müssen noch genommen werden?

Nach dem Betäubungsmittelgesetz ist eine Erlaubnis für den Betrieb
eines Drogenkonsumraumes erforderlich. Dafür muss das Land eine
Verordnung auf den Weg bringen. Sozialminister Manne Lucha (Grüne)
hat schon seit Monaten einen Entwurf in der Schublade, der vom
Kabinett beraten werden muss. Nun hat die CDU-Landtagsfraktion nach
langem Bedenken dem Vorhaben zugestimmt. Es wird deshalb damit
gerechnet, dass auch das Kabinett grünes Licht gibt und die
Verordnung im Herbst in Kraft treten kann.

Ist der Drogenkonsumraum damit in trockenen Tüchern?

Im Prinzip ja. Allerdings werden vor dem Kabinettsbeschluss noch
Verbände und der Städtetag gehört. Auch muss in Karlsruhe die
notwendige Infrastruktur aufgebaut werden. Die AWO als Betreiber muss
geeignete Räume finden: Die Einrichtung soll zentral und gut
erreichbar sein - und von der Nachbarschaft akzeptiert. In der
Südstadt, wo sich derzeit Drogensüchtige ballen, würde der Raum laut

einer Beschlussvorlage der Stadtverwaltung «kritisch» gesehen.

Warum gibt es Bedenken?

Rund um den Karlsruher Werderplatz fühlen sich viele Anwohner und
Geschäftsleute nicht mehr wohl und sicher, weil der Platz seit
geraumer Zeit Drogen- und Trinkertreff ist. Bis zu 60 Drogen- und
Alkoholsüchtige versammeln sich bisweilen dort. Ein Drogenkonsumraum
- im Volksmund «Fixerstube» genannt - könnte nach Befürchtung viele
r
Anwohner und auch der Polizei eine neue Szene anziehen.

Sind die Ängste begründet?

Um Drogenkonsumräume in anderen Bundesländern wird teils eine
«gewisse Konzentration der Szene» beobachtet, räumt Jörg Pietsch ei
n,
Leiter des Arbeitsstabes der Drogenbeauftragten der Bundesregierung.
Das Sozialministerium betont jedoch in seinem Entwurf:
«Befürchtungen, dass Drogenkonsumräume die Bildung einer Drogenszene

erzeugen oder ausweiten könnten, haben sich nach bisherigen
Erfahrungen nicht bestätigt.» Die CDU-Fraktion erwartet einen
Sicherheitsgewinn: «Statt einer wildwüchsigen Drogenszene in
Unterführungen, in Parks und auf Spielplätzen werden die
Drogenkonsumenten unter eine strenge Aufsicht gestellt.»

Gibt es ein Sicherheitskonzept?

Um die Sicherheit rund um die Räume zu gewährleisten, ist eine enge
Kooperation zwischen Träger und Gesundheits-, Ordnungs- sowie
Strafverfolgungsbehörde angestrebt. «Insbesondere Drogenbeschaffung
und -handel sowie Gewalttätigkeiten in und im Umfeld von
Drogenkonsumräumen können auf Grund guter Zusammenarbeit in den
Ordnungspartnerschaften weitgehend verhindert werden», heißt es im
Entwurf. «Die Drogenszene außerhalb der Aufsicht muss mit strengerer
Repression durch die Polizei rechnen», betont die CDU-Fraktion.

Welche Erfahrungen gibt es sonst?

Begleitende Studien stellen den 23 Räumen in sechs Bundesländern
(Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und
Saarland) ein gutes Zeugnis aus. «Drogenkonsumräume sind an den
jeweiligen Standorten ein wichtiger Baustein und fester Bestandteil
des Hilfeangebots für Drogenabhängige», so das Sozialministerium.

Inwiefern?

Sie können der Einstieg zum Ausstieg aus der Sucht sein und den Weg
in eine Substitutionsbehandlung weisen. Krankheiten und Todesfälle
wurden reduziert. Für die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen ist
ein Drogenkonsumraum deshalb eine sinnvolle Einrichtung.

Was geschieht in einem solchen Raum?

Schwerst Drogenabhängige sollen mitgebrachte Substanzen wie Heroin
und Kokain unter hygienischen Bedingungen spritzen oder rauchen
können. Dadurch sollen Infektionen und Krankheiten wie HIV oder
Hepatitis sowie lebensbedrohliche Überdosierungen vermieden werden.
Es gibt sterile Einmalspritzen und Kanülen, Tupfer und
Desinfektionsmöglichkeiten.