Der Eichenprozessionsspinner breitet sich stetig weiter aus Von Simone Humml, dpa

Gefräßig und mit schmerzenden Härchen versehen dringen die
Eichenprozessionsspinner in immer mehr Gebiete vor. Die Raupen
fressen Eichen kahl. Ihre feinen Haare lassen Pustel auf der Haut
sprießen. In diesem Jahr hilft ihnen das Wetter.

Berlin (dpa) - Die kleinen gefräßigen Raupen mit giftigen Härchen
breiten sich in Deutschland immer weiter aus - nicht nur Richtung
Norden. In diesem Jahr hat das Wetter dem Eichenprozessionsspinner
dabei besonders geholfen. «Im Frühjahr hatten die geschlüpften Raupen

einen guten Start», sagt der Insektenkundler und Förster in Sachsen,
Thomas Sobczyk, der Deutschen Presse-Agentur. Die Wärme sei dieses
Jahr spät gekommen aber genau zum richtigen Zeitpunkt für die Raupen.
«So gibt es mehr Einzeltiere als im Vorjahr.»

Durch die lange warme Zeit im Frühjahr hätten viele überlebt und sich

schnell entwickelt. «Etwa vom 10. bis 15. Juli rechnen wir schon mit
dem Schlüpfen der Falter, zwei Wochen früher als sonst», sagt
Sobczyk. «Wenn man Nester absaugen lassen will, dann muss man das
jetzt angehen.» Die weißgrauen Gespinste mit einem Durchmesser von
bis zu 30 Zentimetern sitzen meist an Eichen- und manchmal auch an
Hainbuchenstämmen, oft auch in der Baumkrone. «Man wird sie nie alle
finden», meint Sobczyk.

Die Raupen können Eichen kahlfressen, aber auch für Menschen
gefährlich werden. Ihre Härchen führen zu Pusteln und Hautausschlag.

Habe es einen erwischt, helfe viel kaltes Wasser zum Abwaschen, rät
Sobczyk. Der Ausschlag heile in der Regel von selbst aus. Die Haare
können in seltenen Fällen jedoch auch Atembeschwerden, Atemnot,
Augenreizungen oder gar einen allergischen Schock auslösen.

Im nordrhein-westfälischen Velbert führten die Tiere in diesem Jahr
zu Unterrichtsausfall. Rund 400 Kinder durften nach Stadtangaben
zuhause bleiben, weil Fachleute die Raupen mit einem Spezialgerät von
17 Bäumen auf dem Schulgelände absaugen mussten. Dabei bestand die
Gefahr, dass die giftigen Raupen-Härchen vom Wind verbreitet werden.
Andernorts wurden Spazier- und Radwege wegen der Raupen gesperrt.

Der in Deutschland heimische Nachtfalter bevorzugt warme Gebiete und
breitet sich derzeit aus. Im vergangenen Jahr sei er erstmals im
küstennahen Bereich bei Rostock und auf der Ostsee-Insel Usedom
festgestellt worden, sagt Mathis Jansen von der Landesforstanstalt
Mecklenburg-Vorpommerns. Andernorts etwa in Sachsen oder Thüringen
werden die Verbreitungsgebiete laut Sobczyk immer größer und fließen

zusammen. In Niedersachsen ist es ähnlich.

«Seit Anfang der 1990er Jahre gibt es diese Ausbreitung in
Deutschland, und die hat nie aufgehört», sagt Sobczyk. Das Insekt
gelange auch in höhere Lagen und zum Alpenvorraum. Es profitiere
deutlich von warmen Jahren.

Der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea) muss laut
Sobczyk nicht überall bekämpft werden. Die Raupe fresse zwar in den
Kronen von Eichenbäumen und könne sie dadurch schwächen. Die
Fraßschäden seien jedoch nicht unbedingt tödlich, denn die Eichen
haben noch den Johannistrieb Ende Juni oder im Juli. Wenn jedoch
danach weitere Insektenarten oder schlechte Witterungsbedingungen
hinzukämen, könnten die Bäume ernsthaft geschädigt werden oder gar

sterben.

Gefährlich für Menschen sind vor allem die Brennhaare, die sich
festhaken und Gift enthalten. «In Alleen und Parks sind die
Brennhaare ein deutlich größeres Problem als der Raupenfraß an den
Blättern», sagt Sobczyk. In vielen Stadtgebieten oder gar
Kindergärten sollten die Nester entfernt werden. «Dazu sind
Spezialfirmen nötig, das sollte man tunlichst nicht selber machen.
Die mikroskopische kleinen Haare werden durch Abflämmen oder
Abkratzen aufgewirbelt.»

Der Eichenprozessionsspinner ist ein unscheinbarer Nachtfalter mit
einer Flügelspannweite von gerade einmal 25 bis 30 Millimetern.
Seinen Namen erhielt der Schmetterling, weil seine Raupen nachts
gemeinsam wie bei einer Prozession vom Nest in die Baumkrone krabbeln
und dort fressen. Während die Raupen der für den Menschen
ungefährlichen Gespinstmotten jedoch ganze Gehölze mit weißen
Schleiern überziehen, bilden die der Eichenprozessionsspinner nur
einzelne Nester.

Mancherorts hat der Kampf gegen die Schädlinge Erfolg: Seit 2004
versucht das Bundesland Brandenburg, den Eichenprozessionsspinner aus
den Wäldern zurückzudrängen. Bei der erstmaligen Bekämpfung wurden

106 Hektar Wald vom Hubschrauber aus mit einem biologischen Mittel
besprüht, wie der Einsatzleiter Michael Kopka vom Landesbetrieb Forst
Brandenburg erläutert. Dieses Jahr habe man mit 28 Hektar die
geringste Fläche. Auch die Zahl der registrierten Arztbesuche wegen
der Raupenhaare sei in den vergangenen Jahren deutlich
zurückgegangen.