Ertrinken in der Badezeit: Viele Risiken - aber auch Mythen Von Fabian Nitschmann und Anne-Sophie Galli, dpa

Männer sind oft leichtsinnig, viele Kinder schwimmen nicht sicher und
Senioren geht schnell die Kraft aus: Der Badespaß kann tragisch
enden. Doch nicht jede Vorsichtsmaßnahme hält, was sie verspricht.

Berlin (dpa) - Sommerzeit ist Badezeit. Doch jedes Jahr ertrinken in
Deutschland Hunderte Menschen.

Zur Vorsicht rät die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) -
und sieht Gründe für Notfälle unter anderem in zu wenig
Schwimmunterricht und Übermut.

Wie viele Menschen sterben jährlich im Wasser?

2017 sind nach Angaben der DLRG 404 Menschen ertrunken.
«Binnengewässer sind nach wie vor die Gefahrenquelle Nummer eins»,
sagt DLRG-Präsident Achim Haag. 329 Menschen verloren ihr Leben in
Flüssen, Bächen, Seen und Kanälen. Nach Angaben der Gesellschaft
waren drei von vier Opfern männlich. 756 Menschen wurden vor dem Tod
in den Fluten gerettet.

Wann ertrinken die meisten Menschen?

Bei gutem Wetter gibt es mehr Badeunfälle. Im vergangenen Jahr
ertranken die meisten Menschen im Juni (69), im Juli starben 55
Personen im Wasser. Im Jahr zuvor waren es jedoch insgesamt und auch
in den Sommermonaten deutlich mehr (August 2016: 92). Die DLRG führt
das auch auf das schlechtere Sommerwetter 2017 zurück. Im Winter gibt
es deutlich weniger Fälle, aber auch im Januar und Februar ertranken
jeweils 22 Menschen.

Was sind die Hauptgründe für diese Unglücke?

«Leichtsinn, Übermut und Unkenntnis über Gefahren spielen dabei eine

große Rolle», sagt DLRG-Sprecher Achim Wiese zu der hohen Zahl
männlicher Ertrunkener. Senioren gehe schnell die Kraft aus,
Herzprobleme oder Diabetes seien ebenfalls oft ein Problem. Darüber
hinaus sei die Schwimmfähigkeit insgesamt rückläufig. Laut einer
Eltern-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der
DLRG kann mehr als die Hälfte der Grundschüler in Deutschland nicht
richtig schwimmen. Ein Grund dafür sei, dass jede vierte Grundschule
keinen Zugang zu Bädern habe. Unter 404 im Jahr 2017 ertrunkenen
Menschen seien auch 23 Flüchtlinge. Die Retter führen diese
tragischen Unglücke auch darauf zurück, dass viele Geflüchtete nie
schwimmen gelernt hätten oder Warnschilder nicht lesen könnten.

Ist es wirklich gefährlich, mit vollem Magen ins Wasser zu gehen?

Wer hat diese Baderregel nicht schon mal gehört? Doch das
Amerikanische Rote Kreuz fand in einer großen Überblicksanalyse bei
Jugendlichen und Erwachsenen keinen lebensgefährlichen Einfluss eines
vollen Magens. «Die Bewegungen fallen mit vollem Bauch aber
schwerer», sagte DLRG-Sprecher Martin Holzhause. Die DLRG warnt vor
dem Gang ins Wasser mit ganz vollem Bauch insbesondere mit Blick auf
Kinder. Sie übernähmen sich eher mal, ergänzte Holzhause. Wenn ihnen

beim Baden oder Schwimmen übel wird, sie gar erbrechen und
möglicherweise Wasser schlucken, könne es lebensgefährlich werden.
«Wir raten daher davon ab, dass Kinder direkt nach dem Essen ins
Wasser gehen.» Zudem sollten Kinder ohnehin beim Baden immer
überwacht werden.

Ein leerer Magen könne dagegen wirklich bei jedem zum Problem werden,
sagte sein Kollege Achim Wiese. Denn zum Schwimmen braucht der Körper
viel Energie: In zehn Minuten wird ungefähr die Energie eines Apfels
verbraucht.

Bleibt das Herz beim Sprung ins kalte Wasser stehen?

Bei warmem Wetter fließt Blut vermehrt in Arme und Beine. Bei einem
Sprung in kaltes Wasser ziehen sich die Gefäße zusammen und pumpen
das Blut auf einmal zum Herz. «Dies belastet die rechte Herzkammer
stark und kann bei Menschen mit unerkannten Herzerkrankungen - auch
Kindern - zu Rhythmusstörungen führen», erklärt Martin Halle,
ärztlicher Direktor des Zentrums für Prävention und Sportmedizin der

TU München. Außerdem werde ein Reflex ausgelöst, wenn kaltes Wasser
auf das Gesicht trifft. «Herzfrequenz und Blutdruck sinken schnell
und manchmal sehr stark.» In den seltensten Fällen sei so ein
Ereignis tödlich. Allerdings kann es im Wasser zum Verlust der
Orientierung oder zu Bewusstlosigkeit kommen.

Im Notfall: Macht nasse Kleidung das Überleben schwerer?

Kleidung erhöht den Widerstand beim Schwimmen. Man braucht mehr Kraft
und kommt langsamer voran. Dass nasse Kleidung im Wasser jedoch
gefährlich nach unten zieht, ist ein Irrglaube. Stattdessen könne sie
sogar Auftrieb geben, schreiben Michael Tipton und Frank Golden in
ihrem Fachbuch zum Überleben auf See. Je nach eigener Bewegung kann
für eine Zeit die Luft aus der Kleidung am Körper bleiben. Und die
sorgt im Notfall für wichtige Wärme in kalten Gewässern.

Wieso ist es schwierig, einen Ertrinkenden zu retten?

Wenn Menschen im Wasser in Not geraten, werden sie oft panisch: Sie
schlagen um sich und versuchen, sich an irgendetwas festzuhalten. Für
Laien ist es schwierig, einen Ertrinkenden aus dem Wasser zu ziehen
und sich aus den oft sehr festen Griffen zu befreien.
Rettungsschwimmer lernen in ihrer Ausbildung genau das. Außerdem kann
das Gewässer Gefahren bergen, die vom Ufer aus nicht zu erkennen
sind. Die DLRG rät für den Notfall daher: Hilfe holen und der Person
im Wasser Schwimmhilfen oder andere Gegenstände zuwerfen, an denen
sie sich festhalten kann.