Die Pflegeversicherung soll zum Jahreswechsel teurer werden Von Sascha Meyer, dpa

Immer mehr Pflegebedürftige in Deutschland sollen gut betreut werden,
Fachkräfte werden akut gesucht. Das treibt die Kosten. Nun ist klar,
wie stark auch die Beitragszahler extra herangezogen werden sollen.

Berlin (dpa) - Auf die Bundesbürger kommen angesichts deutlich
steigender Kosten für die Pflege bald höhere Versicherungsbeiträge
zu. Zum 1. Januar 2019 soll der Satz um 0,3 Prozentpunkte angehoben
werden, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Mittwoch in
Berlin sagte. Derzeit liegt er bei 2,55 Prozent des Bruttoeinkommens,
bei Kinderlosen bei 2,8 Prozent. Bei Arbeitnehmern zahlt die Hälfte
des Beitrags der Arbeitgeber, aber ohne den Kinderlosenzuschlag. Die
Anhebung soll die Finanzen der Pflegekassen stabilisieren, denen nach
einem aktuellen Kassensturz ein wachsendes Milliardendefizit droht.

Spahn sagte, die Gesellschaft müsse sich fragen, wie viel ihr gute
Pflege und gute Bezahlung der Pflegekräfte wert seien. «Mein Eindruck
ist: Generationenübergreifend gibt es eine hohe Bereitschaft, mehr zu
zahlen.» Diese werde Anfang 2019 dann auch abgerufen werden müssen.
Die Pflegeversicherung deckt anders als die Krankenversicherung nicht
alle Kosten ab, die Versicherten müssen einen Teil selbst bezahlen.

Die Beitragsanhebung soll nach Angaben aus Regierungskreisen jährlich
4,2 Milliarden Euro zusätzlich einbringen und Planungssicherheit bis
2022 schaffen. Die Pflegekassen erwarten für dieses Jahr Mehrausgaben
von zwei Milliarden Euro und ein höheres Defizit von drei Milliarden
Euro. Laut neuen Schätzungen würde das Minus ohne Beitragserhöhung
bis 2022 auf knapp fünf Milliarden Euro steigen. Auch die Reserve von
6,9 Milliarden Euro zum Jahresende 2017 dürfte rasch abschmelzen.
Ende 2022 droht demnach sogar ein Finanzloch von 13 Milliarden Euro.

Hintergrund ist, dass die Pflegeversicherung immer mehr Geld ausgibt
- im vergangenen Jahr waren es 38,6 Milliarden Euro. Dabei nimmt die
Zahl der Leistungsempfänger weiter zu. Bis Jahresende rechnet der
Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen mit rund 3,46 Millionen
Beziehern, nachdem es Ende 2016 noch 2,95 Millionen waren. Dazu kommt
die Umstellung von drei Pflegestufen auf fünf Pflegegrade in der
vergangenen Wahlperiode - wobei der Anteil höherer Grade zunimmt, was
auch höhere Ausgaben bedeutet. Mehr Hilfen gibt es nun zum Beispiel
für Demenzkranke. Spahn hatte bereits zuvor deutlich gemacht, «dass
Zusätzliches eben auch zusätzlich kostet».

Noch nicht in die Beitragserhöhung eingepreist sind mehrere Vorhaben,
die Union und SPD angehen wollen. So sollen zur Linderung der
Personalnot Tausende Stellen geschaffen und die Bezahlung nach Tarif
ausgedehnt werden. Spahn sagte, in der Koalition sei nun im Lichte
der Finanzlage zu beraten, in welcher Größenordnung weitere
Verbesserungen kommen könnten.

Der Minister machte sich zugleich dafür stark, angesichts der guten
Wirtschaftslage mögliche Spielräume für Entlastungen an anderer
Stelle zu prüfen. «Ich werbe sehr dafür, dass wir in allen
Sozialversicherungszweigen schauen, welches Senkungspotenzial im
Sinne der Arbeitnehmer dort ist.» In der Koalition wird unter anderem
darüber diskutiert, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung stärker

zu senken als um die geplanten 0,3 Punkte. In der Krankenversicherung
seien durch einen Abbau von Reserven bei Kassen mit besonders großem
Polster schon zusätzliche Beitragssenkungen vorgesehen, sagte Spahn.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte, mit der Erhöhung
werde die Pflegeversicherung nicht zukunftssicher. Höhere Löhne für
Pflegekräfte seien nicht eingepreist. «Von den Pflegebedürftigen
selbst ist nichts mehr zu holen», sagte Vorstand Eugen Brysch der
dpa. Nötig sei ein Konzept, das die Ausgaben der Pflegebedürftigen
endlich begrenze und den Staat durch Steuermittel in die Pflicht
nehme. Die Arbeitgeberbverbände monierten, die Regierung handele nach
dem Prinzip «linke Tasche, rechte Tasche». Die Entlastung bei der
Arbeitslosenversicherung werde so nun direkt wieder einkassiert.