Polypen mit einer Art Harpune: Giftquallen vor Mallorca gesichtet Von Carola Frentzen und Emilio Rappold, dpa

Probleme hat Mallorca normalerweise nur mit Touristen, die
gelegentlich über die Stränge schlagen. Dieser Tage sorgen aber
giftige Quallen für Wirbel. Badegäste müssen mit Einschränkungen
rechnen - und auch anderswo wurden die Quallen gesichtet.

Palma (dpa) - Mit bis zu 50 Meter langen Tentakeln schwebt sie
lautlos durch die Weltmeere, und wer ihren Weg streift, dem drohen
höllische Schmerzen. Die Portugiesische Galeere (Physalia physalis)
mit ihrem irisierenden, meist blau schimmernden Körper ist eine der
giftigsten Quallenarten der Welt. Jetzt, kurz vor Beginn der
Sommersaison, wurde auf Mallorca ein totes Exemplar vor der Küste der
Inselhauptstadt Palma entdeckt. Kurz darauf berichteten Medien auch
von mindestens zwei lebenden Exemplaren, die gesichtet worden seien.

Der erste Fund Anfang der Woche an dem beliebten Strand Ciudad Jardín
- zwischen «Ballermann» und Stadtzentrum - löste einigen Wirbel aus.

Die Regionalzeitung «Última Hora» brachte am Mittwoch auf Seite eins

ein großes Bild der toten Qualle. Die Stadtverwaltung startete unter
anderem mit einem großen Schiff Suchaktionen, die auch in den
nächsten Tagen anhalten sollen, und sie bat die Regionalregierung der
Balearen um Unterstützung.

Der regionale Notdienst bat die Strandgäste um extreme Vorsicht. Und
die Stadtverwaltung verhängte nach der Sichtung zweier lebender
Portugiesischer Galeeren übereinstimmenden Berichten zufolge erste
Badeverbote: Rote Flaggen seien an Stränden der Viertel Can Pastilla
und Molinar gehisst worden, schrieb etwa «Diario de Mallorca».

Für den Menschen verläuft eine Begegnung mit dem Nesseltier - anders
als für kleinere Fische - nur selten tödlich. Man kann die Gefahr im
Fall der Portugiesischen Galeere auch schon im Vorfeld gut erkennen,
wie Winfried Hochstetter, Leiter des Aquariums Wilhelmshaven,
erklärt. «Das Gute ist, dass man sie vorher sieht, denn sie hat eine
Gasblase, die aus dem Wasser herausguckt», sagt der Experte.

Mallorca ist nicht allein mit seinem Quallen-Dilemma: Exemplare waren
im April bereits vor den Balearen-Inseln Formentera und Ibiza
gesichtet worden. Allein auf Formentera wurden damals rund 100 Tiere
eingesammelt. Und vorige Woche waren in der Provinz Alicante an der
Costa Blanca ebenfalls mehrere Physalia physalis angespült worden.
Ein Elfjähriger wurde am Arm gestochen und ins Krankenhaus gebracht.
Die Folge: Auf einer Länge von knapp 120 Kilometern wurden in
Alicante am Wochenende Strände gesperrt.

Die Behörden dort erwägen den Einsatz von Netzen und Drohnen.
Hochstetter sagte: «Man kennt das aus Australien, wo es ein Problem
mit Würfelquallen gibt: Solche Netze funktionieren.» Dennoch, sollten
noch mehr Quallen entdeckt und noch mehr Strände gesperrt werden,
sind das keine guten Vorzeichen für den Sommer 2018 - denn Touristen
sorgen in Spanien immerhin für rund elf Prozent des
Bruttoinlandsprodukts.

Dabei ist diese Qualle eigentlich gar keine Qualle, auch wenn sie so
aussieht. Die Portugiesische Galeere ist ein Wunderwerk der Natur,
nämlich eine riesige Polypenkolonie, in der jedes Individuum eine
bestimmte Aufgabe übernimmt - sei es zum Fressen, zur Verdauung, zur
Fortpflanzung oder zur Abwehr von Feinden. So sehr sind die
Organismen miteinander verwoben und aufeinander angewiesen, dass sie
alleine nicht mehr lebensfähig wären.

Kennzeichen ist die bis zu 30 Zentimeter messende sackförmige
Gasblase, die wie ein Segel funktioniert und für den Auftrieb des
Tieres sorgt. «Bei Kontakt mit den Nesselzellen an den Fangarmen
explodieren diese und injizieren mit einer Art Harpune Gift unter die
Haut», erläutert Hochstetter. Die Folge: Stark brennende Wundmale,
die wie Striemen nach Peitschenhieben aussehen.

Das Fachmagazin «Toxins» berichtet auch von Kopfschmerzen, Übergeben,

Bauchschmerzen und Durchfall. Bei Allergikern ist ein allergischer
Schock möglich, der im schlimmsten Fall zum Tode führt. Im Februar
waren bei einer Attacke der Quallen in Thailand 23 Badegäste ins
Krankenhaus gebracht worden.

Betroffene sollten die Stiche mit unverdünntem Essig behandeln - zu
diesem Schluss kommt zumindest «Toxins». Umstritten ist, ob
Meerwasser bei der Wundreinigung hilft. «Es gibt keine universell
akzeptierte Erste-Hilfe-Maßnahme für Physalia-Stiche», schreiben die

Forscher. «Alkohol und Hausmittel wie Urin, Backpulver und
Rasiercreme (...) machen es aber wahrscheinlich noch schlimmer.»

Dennoch, es besteht kein Grund zu Panik, sagt Hochstetter. Im
Mittelmeer kämen Portugiesische Galeeren immer mal wieder vor, je
nach Windrichtung würden sie zusammengedrückt und manchmal eben auch
in Richtung Strand gespült. «Aber die Fahrt zum Meer ist
wahrscheinlich gefährlicher als die Qualle», meint er und rät, vor
jedem Bad einfach die Wasseroberfläche abzusuchen.