Die mühsame digitale «Revolution» für Patienten Von Sascha Meyer, dpa

Wenn es um medizinische Unterlagen geht, läuft in der Hightech-Nation
Deutschland noch vieles auf Papier oder per Fax. Der Wandel zu neuen
elektronischen Akten für die Patienten soll endlich Fahrt aufnehmen.

Berlin (dpa) - Was eigentlich so alles über sie erfasst ist, wissen
wohl die meisten Kassenpatienten gar nicht genau. Wie hieß noch mal
das Medikament, das der Arzt im Urlaub verschrieben hat? Ans Ergebnis
des letzten Blutbilds ist die Erinnerung auch nur noch schwach. Dabei
liegen bei Ärzten, Kliniken und Krankenkassen jede Menge Daten, die
Behandlungen schneller und zielgenauer machen könnten - nur sind sie
eben großflächig verstreut. Seit Jahren mühen sich die Akteure des
Gesundheitswesens um mehr elektronische Vernetzung, doch voran geht
es kaum. Große Krankenkassen preschen nun mit digitalen «Akten» vor.


Was sollen elektronische Patientenakten bringen?

Für Jens Baas, den Chef der Techniker Krankenkasse (TK), geht es um
nicht weniger als eine «Revolution», indem diverse Daten zu neuen
hilfreichen Informationen zusammengeführt werden. Das soll vermeiden,
dass Ärzte etwa lieber noch ein extra Röntgenbild machen, weil ein
Befund eines Kollegen nicht so einfach aufzutreiben ist. Zudem sollen
Patienten erstmals Klarheit über ihre gebündelten Gesundheitsdaten
bekommen und so besser mitreden können, wenn es um Behandlungen geht.

Wie soll das technisch funktionieren?

Die TK will bundesweit einen digitalen «Datensafe» als Handy-App an
den Start bringen, den Patienten nach eigenen Wünschen füllen können,

etwa mit allen verordneten Medikamenten und Labordaten. Gespeichert
werden können auch Angaben zu Arztbesuchen - samt Diagnose plus der
Rechnung, wie viel die Kasse dafür gezahlt hat. Alle Daten sollen
verschlüsselt und nur mit ausdrücklicher Freigabe des Patienten für
Ärzte einsehbar sein. Die AOK hat bereits erste Projekte mit einer
digitalen Akte in Betrieb und will das Netzwerk weiter ausbauen.
Beide Kassen versichern: Die volle Datenhoheit haben die Patienten.

Was sagen Patientenschützer?

Neben der Datensicherheit geht es auch darum, dass die schöne neue
Digitalwelt niemanden benachteiligt. Absolut freiwillig und kostenlos
seien die Angebote, heißt es von den Kassen. Die Deutsche Stiftung
Patientenschutz mahnt indes: «Wer nicht mitmachen kann oder will,
wird schnell identifiziert und dann vielleicht diskriminiert.» Da nur
der Staat höchste Standards garantieren könne, solle besser ein
Bundesamt für die Digitalisierung im Gesundheitswesen kommen. Die
Verbraucherzentralen begrüßen mehr Vernetzung und Transparenz. «Das
klappt aber nur mit einheitlichen Standards», sagt Experte Kai Vogel.

Wie geht es weiter?

Dass die Digitalisierung dringend Fahrt aufnehmen muss, bestreitet
niemand. «Seit über zehn Jahren sind Krankenhäuser, Ärzte, Apotheke
r
und Kassen nicht in der Lage, ein sicheres System zu etablieren»,
klagt der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Fast
zwei Milliarden Euro seien nur für die elektronische Gesundheitskarte
verschwendet worden - erhoffte Zusatzfunktionen leistet sie immer
noch nicht. «Da könnte man nicht einmal ein Röntgenbild abspeichern
»,
sagt Kassenärzte-Chef Andreas Gassen. Die digitalen «Akten» kommen
denn auch ohne die Karte aus. Sie sollen aber auch keine Inseln
werden, sondern mit der Datenautobahn des Gesundheitswesens
verknüpfbar sein, die gerade - mit Verzögerung - entsteht. Ein Ziel
für die Einführung von E-Patientenakten hat auch die Bundesregierung:
spätestens 2021.