Was geht und was geht nicht bei den Paragrafen 218 und 219a? Von Michael Kirner und Ruppert Mayr, dpa

Lange wurde um den Kompromiss zur Schwangerenkonfliktberatung
gerungen. Mitte der 1990er Jahre war es endlich so weit. Die
katholische Kirche machte zuerst mit, stieg dann aber aus der
staatlichen Beratung wieder aus. Sie vergibt keine Beratungsscheine.

Berlin (dpa) - Die SPD fordert eine Reform des Paragrafen 219a.
Dieser verbietet Ärzten, dafür zu «werben», dass sie
Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Es handelt sich nicht um Werbung,
sondern um Information, sagt die SPD. Für betroffene Frauen sei eine
Information über Ärzte, die solche Eingriffe vornehmen, wichtig. Die
Gegner sagen, es habe mit den Paragrafen 218, der den
Schwangerschaftsabbruch regelt, und 219a im Gesamtpaket seit
Jahrzehnten ganz gut geklappt. Und im übrigen bekämen die Frauen
bereits auf diesem Wege die nötigen Informationen an die Hand.

Die SPD hat nun dem Koalitionspartner eine Frist gesetzt. Bis Herbst
muss eine Entscheidung zum 219a her, ansonsten werde man andere
Mehrheiten suchen. Hier die rechtlichen Grundlagen der Debatte.

Wie ist die allgemeine Rechtslage in Deutschland?

Generell gilt: Wer in Deutschland eine Schwangerschaft abbricht,
verstößt gegen geltendes Recht. Der vor allem in den 1970er Jahren
heftig diskutierte und reformierte Paragraf 218 des Strafgesetzbuches
(StGB) sieht jedoch Ausnahmen vor: Eine Abtreibung bleibt straffrei,
wenn sie binnen drei Monaten nach der Empfängnis vorgenommen wird und
zwingend eine Konfliktberatung vorausgegangen ist. Ohne rechtliche
Folgen bleibt sie auch, wenn es medizinische Gründe für den Abbruch
gibt oder wenn die Frau durch eine Vergewaltigung schwanger wurde.

Wie viele Schwangerschaftsabbrüche gibt es hierzulande?

Das Statistische Bundesamt zählte rund 101 200 Abtreibungen im
vorigen Jahr - eine Zunahme von 2,5 Prozent im Vergleich zu 2016.
Fast drei Viertel der betroffenen Frauen waren zwischen 18 und 34
Jahre alt, 17 Prozent zwischen 35 und 39, 8 Prozent 40 und älter. 3
Prozent waren unter 18. 96 Prozent der gemeldeten Abbrüche ging eine
Beratung voraus, in 4 Prozent der Fälle spielten medizinische oder
kriminologische Gründe eine Rolle.

Wer darf beraten?

Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen brauchen eine
besondere staatliche Anerkennung. Sie müssen über genug
qualifiziertes Personal verfügen. Ratsuchende können aus
verschiedenen Beratungsanbietern - mit unterschiedlichem Weltbild und
Selbstverständnis - auswählen. Das stellen die Länder sicher.

Neben öffentlichen Trägern wie kommunalen Gesundheits- oder
Jugendämtern geben auch freier Träger Rat. Dazu zählen die
Wohlfahrtsverbände oder religiös ausgerichtete Vereine. Katholische
Einrichtungen wie Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen
stellen keinen Beratungsschein für eine
Schwangerschaftskonfliktberatung aus.

Wieso Beratungsschein?

Der Beratungsschein wird von den zugelassenen Einrichtungen nach der
Schwangerschaftskonfliktberatung ausgestellt. Er ist die
Voraussetzung für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch. Denn
grundsätzlich geht der Gesetzgeber davon aus, dass Frauen, die ihre
Schwangerschaft abbrechen wollen, in einer Konfliktsituation sind und
dringender Beratung und Hilfe bedürfen. Die Bescheinigung enthält den
Namen der Schwangeren und das Datum der Beratung, jedoch keine
Angaben über den Inhalt des Beratungsgesprächs. Sie muss mindestes
drei Tage vor dem Abbruch ausgestellt sein (dreitägige Bedenkzeit).

Wo kann ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden?

Die Länder haben dafür ein ausreichendes Angebot ambulanter und
stationärer Einrichtungen vorzuhalten. Hier muss auch eine
Nachbehandlung gewährleistet sein. Die gesetzliche
Schwangerschaftskonfliktberatung gibt auch Auskünfte über erreichbare
Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.

Können sich auch Ärzte strafbar machen?

Ja - wenn sie quasi für eine Abtreibung werben. Wer nämlich «Dienste
»
oder «Verfahren» zum Abbruch einer Schwangerschaft öffentlich
anbietet, wird nach Paragraf 219a Strafgesetzbuch mit bis zu zwei
Jahren Haft bestraft. Kritiker sehen hier dringenden Reformbedarf.
Die Union nicht.

Die Bundesärztekammer schlug nun als Kompromiss vor, eine Liste von
Ärzten zu erstellen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.
Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery geht es dabei auch um die
Rechtssicherheit der Ärzte.