Abtreibungs-Werbeverbot: SPD-Drohung sorgt für Ärger in Koalition

Was ist sachliche Information? Was ist unzulässige Werbung? Bei
Schwangerschaftsabbrüchen ist das eine heikle Frage - die nun die
Koalition belastet. Würde sich die SPD tatsächlich trauen, in der
Frage aus der schwarz-roten Disziplin auszubrechen?

Berlin (dpa) - Die Union hat verärgert auf die Drohung des
Koalitionspartners SPD reagiert, sich im Streit über das sogenannte
Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche mit anderen Fraktionen
zusammenzutun. Die Spitzen der Unions-Fraktion wiesen am Dienstag in
Berlin die Fristsetzung des SPD-Vorstands als unzulässig zurück und
warnten die Sozialdemokraten davor, mit anderen Parteien im Parlament
gemeinsame Sache zu machen. Linke, Grüne und FDP appellierten an die
SPD, sich bei dem Thema von der Union zu emanzipieren.

Zwischen Union und SPD gibt es seit längerem Streit über den
Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch. Dieser verbietet es, für
Abtreibungen zu werben. Gegner der Regelung argumentieren, dass auch
sachliche Informationen für ungewollt schwangere Frauen durch den
Paragrafen verhindert würden. Die SPD will diesen daher reformieren
oder abschaffen. In der Union gibt es dagegen aber große Vorbehalte.

Die SPD hatte zu dem Thema bereits einen Antrag vorgelegt. Um die
große Koalition nicht zu gefährden, ließ sie darüber aber bisher
nicht abstimmen. Stattdessen hat die Bundesregierung angekündigt,
nach einer Lösung zu suchen.

Direkt nach dem SPD-Parteitag in Wiesbaden hatte der
SPD-Parteivorstand dann überraschend per Beschluss damit gedroht, bei
dem Thema mit «reformwilligen» Fraktionen oder Abgeordneten
gemeinsame Sache zu machen, wenn bis zum Herbst kein Kompromiss
stehe. Eine Änderung der umstrittenen Regelung für Ärzte solle dann
etwa über eine Bundestagsabstimmung ohne Fraktionszwang erreicht
werden.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) reagierte verärgert. «In
einer Koalition muss das gelten, was man miteinander verabredet hat»,
sagte er. Es könne in einer Koalition nicht sein, «dass einer dem
anderen Fristen setzt». Deswegen weise er den SPD-Beschluss zurück.
«So kann man nicht miteinander umgehen.» CSU-Landesgruppenchef
Alexander Dobrindt warnte die SPD davor, in der Frage mit anderen
Fraktionen zu kooperieren. «Man sollte sich nicht zu oft nach anderen
Partnern umschauen.»

SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles zeigte sich unbeirrt. Auf die
Frage, ob die SPD zu dem Beschluss stehe, sagte die frisch gewählte
Parteivorsitzende: «Selbstverständlich halte ich daran fest.» Auch
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) beharrte auf einer
Änderung des Paragrafen. «Es geht nicht um Werbung, es geht um
Information», sagte sie der «Rheinischen Post».

Hintergrund des Streits ist die Verurteilung einer Ärztin aus Gießen,
die auf ihrer Internetseite darauf hingewiesen hatte, dass sie
Schwangerschaftsabbrüche vornimmt.

Auch Linke, Grüne und FDP setzen sich seit längerem für eine
Abschaffung oder Änderung des Paragrafen ein. Aus ihren Reihen kam
nun der Appell an die SPD, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen.
Nahles habe bei dieser Frage eine «wunderbare Chance», zu zeigen,
dass die SPD eigenständig agiere, die Initiative ergreife und die
Mehrheit im Bundestag in der Frage nutzen, sagte Linksfraktionschef
Dietmar Bartsch. Bei diesem Thema könnten nicht Koalitionsverträge
gelten. «Das ist eine Gewissensentscheidung.»