Geldverschwendung bei Zahnspangen? Rechnungshof zweifelt an Nutzen Von Andreas Hoenig und Basil Wegener, dpa

Der Rechnungshof hat neue Fälle aufgelistet, was aus seiner Sicht bei
Ausgaben der Regierung falsch läuft. Es geht um die ohnehin oft in
der Kritik stehende Bundeswehr - aber auch um andere Ressorts.

Berlin/Bonn (dpa) - Hunderttausende Kinder und Jugendliche tragen
eine Zahnspange - damit schiefe Zähne wieder gerade gerückt werden.
Für kieferorthopädische Behandlungen wenden die Krankenkassen pro
Jahr mehr als eine Milliarde Euro auf - doch der medizinische Nutzen
sei nur unzureichend erforscht, kritisiert nun der
Bundesrechnungshof. Es ist einer von den Fällen, in denen der
Rechnungshof Geldverschwendung wittert. Aktuelle Prüfergebnisse
wurden am Dienstag veröffentlicht. Es geht auch um Missstände in der
Bundeswehr und beim Straßenbau.

GESUNDHEIT:

- Der Rechnungshof moniert, dass dem Gesundheitsministerium und den
Krankenkassen bei kieferorthopädischen Behandlungen wissenschaftlich
fundierte Erkenntnisse über Wirkung und Nutzen fehlten. Zudem hätten
sie keinen Überblick, mit welchen kieferorthopädischen Leistungen die
Bevölkerung konkret versorgt werde. Es fehlten bundesweite Daten, zum
Beispiel über Art, Dauer und Erfolg der Behandlung oder der
zugrundeliegenden Diagnosen. Hinweisen auf diesen Missstand sei das
Ministerium seit Jahren nicht nachgegangen. «Auch im Sinne der
Patienten ist zu klären, welche Leistungen zu Behandlungserfolgen
führen», sagte Rechnungshof-Präsident Kay Scheller. In anderen
Leistungsbereichen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) müsse
der Nutzen einer Therapie wissenschaftlich bestätigt sein. «Das
sollte auch bei kieferorthopädischen Behandlungen der Fall sein.»

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wies
die Vorwürfe im Grundsatz zurück - sieht aber trotzdem
Verbesserungsbedarf. «Die Leistungen müssen dem GKV-Prinzip
entsprechend ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und
dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten», sagte eine
Sprecherin. Die Krankenkassen übernähmen die Kosten nur für Kinder
und Jugendliche zwischen 10 und 18 Jahren. Und dies unter bestimmten
Voraussetzungen - wenn die Patienten ausgeprägte Zahnfehlstellungen
und Kieferanomalien hätten, deren Korrektur aus medizinischen Gründen
notwendig beziehungsweise dringend erforderlich erscheine.

Die Zahl der auf Kassenkosten behandelten Patienten sank den Angaben
zufolge in den vergangenen Jahren deutlich. Dies sei auch das Ziel
eines 2002 eingeführten neuen Einteilungsschemas gewesen, mit dem
nötige von nicht klar nötigen Behandlungen unterschieden werden
sollen. Von 2001 bis 2015 ging die Fallzahl in der Kieferorthopädie
von 1,23 Millionen um fast 50 Prozent auf 618 000 zurück. Die Zahl
der 10- bis 16-Jährigen sank dagegen nur um 20 Prozent. Man könne
davon ausgehen, dass sich weniger als 60 Prozent eines Jahrgangs in
kieferorthopädischer Behandlung befindet, sagte die Sprecherin.

Trotzdem gaben die Kassen nur etwas weniger dafür aus - die
entsprechenden Ausgaben sanken von 1,12 Milliarden Euro 2001 auf 1,07
Milliarden 2015. Das sei auf die allgemeine Kostensteigerung
zurückzuführen, auf einen gestiegenen Anteil schwieriger Fälle und
auf längere Behandlungen. Dennoch fordert der Kassenverband eine
Bewertung des Nutzens der Kieferbehandlungen. Die Sprecherin verwies
auf frühere Diskussionen, nach denen nur bei zehn Prozent der Kinder
tatsächlich eine Behandlung angezeigt sei. Das für solche Bewertungen
zuständige Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im
Gesundheitswesen sollte im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses
von Ärzten, Kassen und Kliniken, des höchsten Entscheidungsgremiums
im Gesundheitswesens, eine solche Nutzenbewertung vornehmen.

BUNDESWEHR:

- Die Luftwaffe nutzt aus Sicht des Rechnungshofes die
Übungsmöglichkeiten in ihren Eurofighter-Simulatoren nicht in vollem
Maße - obwohl ihr Eurofighter für die fliegerische Ausbildung fehlen.
«Die Bundeswehr muss alle Möglichkeiten nutzen, ihre Kampfpilotinnen
und Kampfpiloten einsatzfähig zu halten», sagte der Präsident des
Rechnungshofs, Kay Scheller. Demnach sollen Kampfpiloten nach einer
Forderung der Nato pro Jahr jährlich 180 Flugstunden absolvieren, um
ihre fliegerische Befähigung zu gewährleisten. Davon können sie bis
zu 40 Flugstunden in den Eurofighter-Simulatoren leisten. Die
Nato-Forderung von 180 Flugstunden jährlich erfüllten aber nur wenige
Piloten. Im Durchschnitt der Jahre 2015 und 2016 habe kein Pilot mehr
als 30 Flugstunden in Simulatoren geleistet. 2017 habe die Luftwaffe
900 bereitstehende und bereits bezahlte Simulatoren-Flugstunden nicht
für die Ausbildung eingesetzt.

- Der Rechnungshof sieht außerdem Fehler der Bundeswehr bei der
Modernisierung von IT-Systemen auf Fregatten. Dadurch verzögere sich
die Modernisierung dieser Systeme, mit denen etwa Radaranlagen und
Waffen gesteuert werden, um Jahre. Die Kosten pro Schiff würden sich
von 6 auf 30 Millionen Euro verfünffachen. Die Bundeswehr habe die
Anforderungen im Vertrag nur unzureichend beschrieben und kein
effektives Qualitätsmanagement eingerichtet. «Gerade bei so komplexen
Vorhaben ist es wichtig, dass die Bundeswehr genau plant und
steuert», sagte der Präsident des Rechnungshofes, Kay Scheller.

VERKEHR:

- Auf den vierstreifigen Ausbau einer Ortsumfahrung um Schirnding
(Bayern) nahe der Grenze zu Tschechien sollte verzichtet werden, so
der Rechnungshof. Für den Ausbau der Strecke bestehe kein Bedarf. Es
könnten 33 Millionen Euro gespart werden. Mit der bestehenden
Bundesstraße könne das Verkehrsaufkommen bereits jetzt problemlos
bewältigt werden. Die geplante Baumaßnahme sei nicht wirtschaftlich.