SPD setzt Frist im Koalitionsstreit um Abtreibungs-Werbeverbot

Paragraf 219a im Strafgesetzbuch hat viele Gegner. Eine Reform des
sogenannten Werbeverbots für Abtreibungen hätte im Bundestag wohl
eine Mehrheit - auch ohne die Union. Würde die SPD das ausnutzen?

Berlin (dpa) - Im Streit über das Werbeverbot für
Schwangerschaftsabbrüche erhöht die SPD den Druck auf die Union. Der
Parteivorstand beschloss am Sonntag nach dem Bundesparteitag in
Wiesbaden eine Frist bis Herbst, wie das Gremium am Montag mitteilte.
Wenn bis dahin kein Kompromiss in der Bundesregierung oder zwischen
den Fraktionen zum Strafgesetzbuch-Paragrafen 219a gefunden sei,
wolle man mit «reformwilligen» Fraktionen oder Abgeordneten
gemeinsame Sache machen. Eine Änderung der umstrittenen Regelung für
Ärzte solle dann etwa über eine Bundestagsabstimmung ohne
Fraktionszwang erreicht werden.

Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs verbietet es, für Abtreibungen zu
werben. Gegner der Regelung argumentieren, dass auch sachliche
Informationen verhindert würden. «Frauen in der sensiblen Situation
wie einer frühen, ungewollten Schwangerschaft dürfen die für sie so
wichtigen Informationen nicht vorenthalten werden», teilte der
SPD-Vorstand mit. Ein «freier Zugang zu sachlichen medizinischen
Informationen» sei für die SPD «nicht verhandelbar».

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält dafür eine Reform des
Strafrechtsparagrafen nicht für notwendig, wie er der «Bild»-Zeitung

(Dienstag) sagte: «Wir wollen, dass Frauen in einer schwierigen
Konfliktsituation sich gut informieren können. Dieses Ziel ist aus
meiner Sicht umfänglich ohne eine Änderung des 219a zu erreichen.»

Die SPD im Bundestag hat dazu bereits einen Antrag vorgelegt. Um die
große Koalition nicht zu gefährden, lässt sie darüber aber bisher
nicht abstimmen. Stattdessen hat die Bundesregierung angekündigt,
nach einer Lösung zu suchen. Auch Linke, FDP und Grüne sind für eine

Reform - damit wäre eine Mehrheit im Parlament wahrscheinlich. In der
Union gibt es dagegen große Vorbehalte.

Hintergrund des Streits ist die Verurteilung einer Ärztin aus Gießen,
die auf ihrer Internetseite darauf hingewiesen hatte, dass sie
Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Vor dem Sonderparteitag der SPD in
Wiesbaden hatte es dazu vier Anträge gegeben. Für die Abstimmung über

die Empfehlung der Antragskommission hatte aber die Zeit gefehlt.

In einem offenen Brief forderten am Montag auch 26 Verbände und
Initiativen die große Koalition auf, den Paragrafen abzuschaffen. Er
schränke den Zugang zu wichtigen Informationen ein und schaffe
Rechtsunsicherheit für Ärztinnen und Ärzte, kritisierte der
Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Wolfgang Stadler.

FDP und Grüne bekräftigten ihre Forderung nach einer Rechtsreform.
Die SPD, müsse «jetzt endlich in Regierungsverantwortung handeln»,
sagte die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ulle
Schauws. «Sie kann es sich nicht noch einmal leisten, bei 219a vom
Koalitionspartner vorgeführt zu werden.» FDP-Fraktionsvize Stephan
Thomae sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Union dürfe dieses
wichtige Thema nicht auf die lange Bank schieben. Die SPD stelle die
Koalitionsdisziplin über die Interessen der betroffenen Frauen: «Die
Mehrheit für eine Änderung des Paragrafen 219a im Bundestag ist da.»