Künftig weniger Notfallkrankenhäuser - aber mit garantierter Qualität Von Basil Wegener, dpa

Im Notfall soll das Krankenhaus nah sein, aber etwa bei einem
Herzinfarkt auch genau wissen, was es tut. Und das auch können. Jetzt
wird die Notfallversorgung neu geregelt.

Berlin (dpa) - Patienten werden in Notfällen künftig voraussichtlich
weniger Krankenhäuser vorfinden, die offiziell für solche Situationen
eingerichtet sind. Die verbleibenden Notfallkliniken sollen dafür
garantieren, dass sie die Patienten auch angemessen betreuen können.
Das sieht ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss von Ärzten,
Krankenhäusern und Krankenkassen vor, den das Gremium am Donnerstag
in Berlin fasste. Von den heute 1748 Krankenhäusern sollen künftig
nur noch 1120 entsprechende Zuschläge bekommen. Somit könnten 628
Häuser aus der Notfallversorgung herausfallen.

Der Bundesausschuss ist das höchste Entscheidungsgremium im deutschen
Gesundheitswesen und bestimmt die Versorgung nach den Vorgaben der
Politik.

Notfall-Krankenhäuser müssen demnach künftig über eine chirurgische

oder unfallchirurgische und innere Abteilung verfügen. Kommt der
Patient in die Notaufnahme, soll er binnen zehn Minuten erfahren, mit
welcher Priorität er behandelt wird. Ein Facharzt und bei Bedarf ein
Anästhesist muss innerhalb von 30 Minuten beim Patienten sein können.
Die Klinik muss zudem eine Intensivstation mit mindestens sechs
Betten haben.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) stimmte auch nach
monatelangen Verhandlungen im Bundesausschuss gegen die Neuregelung.
Vor dem Hintergrund der ständig steigenden Milliardenkosten für die
Krankenhäuser hatte der Gesetzgeber den Bundesausschuss beauftragt,
zu klären, wie viele Kliniken für die Notfallversorgung nötig sind,
und ein Stufenkonzept zu erarbeiten.

DKG-Präsident Gerald Gaß warnte davor, dass noch mehr Kliniken nach
den strengen Vorgaben den Notfallstatus verlieren könnten als vom
Ausschuss errechnet und dass Rettungswagen künftig längere Wege
hätten. Die DKG rief die Bundesländer auf, «die teilweise überzogen
en
Kriterien nicht anzuerkennen». Gaß warnte, die Not vieler
Notfallpatienten könnte größer werden.

Der Ausschussvorsitzende Josef Hecken, der unparteiisch ist, nannte
es hingegen absolut sachgerecht, dass Kranke nach einem Unfall oder
Herzinfarkt in einem Notfallkrankenhaus auch die entsprechenden
Fachärzte und eine Intensivstation vorfinden. Andere Kliniken könnten
die nötige Versorgung eben nicht bringen. Zugleich versicherte
Hecken: «Die stationäre Notfallversorgung bleibt bundesweit künftig
auch in strukturschwachen Gebieten gesichert.»

Kliniken ohne Notfallstatus müssen künftig - wie bisher schon -
finanzielle Abschläge hinnehmen. Notfallpatienten abweisen müssen sie
nicht. Vielmehr sind auch sie zur Hilfeleistung verpflichtet.

Der Vizechef des Kassen-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von
Stackelberg, sagte: «Die neue Struktur der Notfallversorgung wird
helfen, Leben zu retten.» Rettungsfahrer und Patienten wüssten
künftig, welche Klinik für welche Notfälle die richtigen Fachärzte,

Abteilungen und die notwendigen Geräte vorhält. Sparen wollten die
Kassen bei der Notfallversorgung nicht.

Weitere Kriterien stellte der Ausschuss unter anderem für
Notfallkliniken auf, die etwa Schwerverletzte oder Kinder speziell
versorgen.

Der Vizechef des Katholischen Krankenhausverbands Deutschlands, Ingo
Morell, kritisierte, der Ausschuss habe mit dem Beschluss ein
«Instrument zur ökonomisch induzierten Strukturbereinigung»
geschaffen. «Die Anfahrtszeiten für Patienten und Rettungsdienste
werden sich verlängern, da in jedem Fall Krankenhäuser aus der
Versorgung rausfallen werden.»

Über den neuen Beschluss hinaus wird derzeit intensiv über eine
bessere Steuerung der Patienten zu den verschiedenen ärztlichen
Angeboten diskutiert. Viele Patienten kommen auch ohne gravierende
Notlage in Notaufnahmen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung wies
darauf hin, dass Kassenärzte schon fast 650 Bereitschaftsdienstpraxen
eingerichtet hätten, die an die Notaufnahmen angegliedert sind, so
genannte Portalpraxen. Für eine Anfahrt von maximal 30 Minuten wären
bundesweit 736 ambulante Notfallzentren ausreichend.