«Unsere Generation kann Aids beenden»: Jugendverein hat große Pläne Von Christina Horsten, dpa

Immer noch stecken sich allein in Deutschland jedes Jahr rund 3000
Menschen mit HIV an. Trotzdem beachten viele Jugendliche das Thema zu
wenig, sagt «Jugend gegen Aids». Der deutsche Verein will sich zur
Weltaidskonferenz im Sommer global aufstellen.

New York (dpa) - Der Startschuss kommt mitten aus Manhattan. Aus dem
Facebook-Büro in New York heraus verkündet der Verein «Jugend gegen
Aids» per Live-Video sein neues Vorhaben: 300 Freiwillige aus der
ganzen Welt will die in Hamburg gegründete Aufklärungsorganisation
zur diesjährigen internationalen Aidskonferenz schicken. Die findet
vom 23. bis zum 27. Juli in Amsterdam statt. Um das ganze zu
finanzieren, sollen im Internet 500 000 Euro Spenden gesammelt
werden. «Die Älteren sollen spenden, damit die Jüngeren aktiv werden

können», sagt Daniel Nagel, Vorsitzender von «Jugend gegen Aids» -

oder für das neue globale Vorhaben: «Youth against Aids».

Die Anfänge des Vereins liegen am Hamburger
Carl-von-Ossietzky-Gymnasium. Ende der 2000er Jahre verkauften dort
Schüler Schleifen zum Weltaidstag, erzählt Nagel. Eine Schleife, ein
Euro. Die Aktion weitete sich aus und schließlich kamen 20 000 Euro
zusammen. Das Geld wollten die Schüler der Stiftung des früheren
Tennis-Profis Michael Stich spenden. Doch der gab es zurück, zusammen
mit dem Rat, doch lieber ein eigenes Projekt zu starten.

Die Schüler gründeten daraufhin 2010 «Jugend gegen Aids» und bega
nnen
mit Vorträgen an Schulen. «Weil sie gemerkt haben, dass es in unserer
Generation ein extrem geringes Wissen über HIV und Aids gibt», sagt
Nagel. «Das Ganze hat sich dann immer weiter entwickelt von so
klassischen Wikipedia-Vorträgen, die aber natürlich nicht so gut
funktioniert haben, bis zu einem ausgefeilten Konzept.»

Inzwischen engagieren sich etwa 50 Schüler, Studenten und
Auszubildende aus ganz Deutschland regelmäßig ehrenamtlich für den
Verein. Nagel stammt aus Krempe in Schleswig-Holstein, studiert
Wirtschaft in Berlin und ist seit mehreren Jahren dabei. «Wir machen
das sozusagen nebenbei, aber eigentlich studieren wir eher nebenbei
und stecken unsere ganze Energie da rein.»

Der Verein bildet Freiwillige dazu aus, dreistündige Workshops an
Schulen zu geben. Ohne ihre normalen Lehrer erfahren die Jugendlichen
dabei viel über HIV, andere sexuell übertragbare Krankheiten und wie
sie sich schützen können. «Wir ersetzen damit nicht den normalen
Sexualkundeunterricht, sondern das ist eine Ergänzung», sagt Nagel.
«Wir reden dabei viel über falsche Vorstellungen, die Jugendliche
haben.»

Rund 20 000 Schüler erreicht der Verein nach eigenen Angaben pro Jahr
in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit diesen Workshops. Dazu
gibt es Kampagnen mit Plakaten und Workshops, Auftritte bei Festivals
und Informationen über die sozialen Medien, unterstützt von
Internet-Stars wie den Lochis. Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier hat inzwischen die Schirmherrschaft übernommen und auch
Bundeskanzlerin Merkel attestierte dem Verein bereits «wertvolle
Aufklärungsarbeit».

Rund 88 000 Menschen leben nach Angaben der Deutschen Aids-Hilfe
alleine in Deutschland mit HIV, jedes Jahr stecken sich rund 3000
Menschen neu an. Weltweit leben der UN-Organisation UNAIDS zufolge
fast 37 Millionen Menschen mit HIV, davon mehr als 2 Millionen, die
unter 15 Jahre alt sind. Trotzdem hätten viel zu wenig Jugendliche
das Thema auf dem Schirm, sagt Nagel. «Wenn wir in Schulen gehen,
dann sitzt da in der ersten Reihe Max Müller und für den ist das kein
Thema, der verbindet mit Aids drei Dinge: Schwul, Drogen, Afrika.
Dann hat das nichts mit ihm zu tun. Das ist ein Umstand, wo wir
versuchen, dagegen zu wirken - mit Fingerspitzengefühl, aber trotzdem
mit einer sehr direkten Sprache.»

Ein Schlaglicht auf das Leben mit dem HI-Virus hatte am Wochenende
Dragqueen Conchita Wurst geworfen. Sie hat ihre Infektion mit dem
Erreger auf der Plattform Instagram öffentlich gemacht.

Nach Deutschland, Österreich und der Schweiz will der Verein «Jugend
gegen Aids» seine Präventionskampagne nun global aufziehen, nachdem
es bei einem ersten Auftritt beim Vorbereitungstreffen zur
Weltaidskonferenz im vergangenen Jahr in Paris positives Feedback
gab. «Wir haben da ultraviele engagierte Menschen getroffen, die uns
zugesprochen haben, dass das ein wertvoller Beitrag ist», sagt Nagel.
«Da waren wir lange Zeit gar nicht sicher, weil wir dachten: Es gibt
riesige Organisationen und Stiftungen, was wollen wir da eigentlich?
Ist das nicht lächerlich?» Die Vereinsmitglieder merkten aber auch:
«Es gibt andere Jugend-Organisationen in anderen Ländern, meistens in
kleinerem Rahmen und auf lokaler Ebene, aber so in dem großen Maße
wie wir das machen, wissen wir von keiner anderen Initiative.»

Die 300 ausgewählten Jugendlichen sollen bei der Weltaidskonferenz in
Amsterdam unter anderem Ideen entwickeln, wie sie auch in ihren
Heimatländern die Prävention vorantreiben können. «Sie sollen am En
de
zurück in ihre Communities gehen und durch die gelernten Fähigkeiten
konkret tätig werden», sagt Nagel, «denn wir sind davon überzeugt,

dass unsere Generation Aids beenden kann.»