«Spiegel»: Kliniken wussten früh von Vorwürfen gegen Todespfleger

Oldenburg (dpa) - Nach einem «Spiegel»-Bericht haben Verantwortliche
am Klinikum Oldenburg schon während der Beschäftigung von
Todespfleger Niels Högel von Unregelmäßigkeiten gewusst. Demnach
haben sich Verantwortliche schon 2001 über konkrete Vorwürfe gegen
Högel ausgetauscht. Högels Stationsleiter vermerkte damals: «Er habe

mit der Geschäftsleitung, dem Personalchef, dem Chefarzt der Station
sowie der Pflegedienstleitung darüber beraten, die Staatsanwaltschaft
einzuschalten», zitiert das Nachrichtenmagazin aus Dokumenten. Die
Runde sei zu dem Schluss gekommen, dass Beweise fehlten.

Dass sich damalige Verantwortliche gegen ein Einschalten der Behörden
entschieden hatten, bestätigte das Klinikum Oldenburg am Sonntag auf
Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Dem Klinikum hätten zur Zeit
Högels Hinweise vorgelegen, und es habe auch Personen gegeben, die
überzeugt davon waren, dass er Patienten schädige.

In dem Bericht ist die Rede von einer Strichliste, die auf Bitten des
Chefarztes auf der kardiologischen Intensivstation geführt worden
sei. Demnach wurden während der Schichten des Gros der Mitarbeiter
ein bis drei Patienten reanimiert, bei zwei Mitarbeitern waren es 9
Wiederbelebungen und bei Högel 18 Reanimationen. Diese Liste hat die
Klinik den Behörden nach eigenen Angaben vor zwei Jahren überreicht.

Eine stellvertretende Stationsleiterin, zwei Ärzte und ein
Intensivstationsleiter der Klinik in Delmenhorst müssen sich bereits
in einem Prozess verantworten. Ihnen wird Totschlag durch Unterlassen
vorgeworfen. Ob sich auch Verantwortliche der Oldenburger Klinik vor
Gericht verantworten müssen, ist noch nicht entschieden.

Wegen des Todes von sechs Patienten hatte das Landgericht Oldenburg
den Ex-Pfleger zu lebenslanger Haft verurteilt. Er wird sich ab
Herbst zudem wegen Mordes an 97 Patienten verantworten müssen.