25 Jahre Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Nutzpflanzen

Berlin (dpa) - Am 15. April 1993 teilte das Bundesgesundheitsamt in
Berlin mit, dass es erstmal einen Freilandversuch mit genetisch
veränderten Nutzpflanzen genehmigt habe. Proteste von Umweltschützern

und Bürgerinitiativen folgten. Bis heute sind die Diskussionen um die
Gentechnik nicht beendet.

Was war seinerzeit geplant?

Im niedersächsischen Klostergut Wetze und bei Deggendorf in
Niederbayern sollten auf Versuchsflächen gentechnisch veränderte
Pflanzen eingesetzt werden. Auf dem Feld in Bayern war die
Viruserkrankung Rizomania (Wurzelbärtigkeit) nachgewiesen worden, die
die Ausbildung einer gesunden Zuckerrübenknolle verhindert und zu
finanziellen Einbußen bei den Bauern führt. Zum Vergleich mit dem
Anbau auf gesundem Boden diente das Feld in Niedersachsen. Den
Zuckerrüben wurden drei Gene eingefügt, die die Pflanzen gegen
Rizomania, ein Herbizid und ein Antibiotikum resistent machten. In
Niedersachsen gab es zudem Versuche mit genveränderten Kartoffeln.

Welche Reaktionen gab es damals?

Schon im Vorfeld, aber auch nachdem die Versuche erlaubt wurden, kam
es zu heftigen Protesten. Kritiker sahen damit die Büchse der Pandora
geöffnet: Einmal freigesetzt, könnten gentechnisch veränderte
Pflanzen nicht mehr zurückgeholt werden, so die Argumentation. Ihrer
Meinung nach könnten umherfliegende Pollen auf andere Pflanzen
übergehen, was mit unkalkulierbaren Risiken für Mensch und Umwelt
verbunden sei. Grundsätzlich befürchteten Gentechnik-Kritiker, dass
mit den Versuchen die Tore zu weitergehenden Genmanipulationen
aufgestoßen werden sollen. Projekt-Gegner besetzten unter anderem den
Versuchsacker in Niedersachsen und rissen Setzlinge wieder aus dem
Boden.

Wo werden heute gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut?

In Deutschland gibt es seit 2012 keine kommerziellen Anbauflächen
mehr. Sollen genveränderte Pflanzen zu Forschungszwecken im Freiland
angebaut werden, sind Sicherheitsauflagen unter anderem für
Transport, Lagerung und Entsorgung einzuhalten. Zäune oder Netze
müssen Tiere abhalten, zudem müssen bestimmte Abstände zur
konventionellen Landwirtschaft gewahrt werden. Der genaue Ort, die
Fläche und das Anbaudatum werden in einem Standortregister erfasst.
Demnach wurde zum bisher letzten Mal 2014 in zwei Gemeinden in
Sachsen-Anhalt Genmais der Sorte «Mon 810» angebaut.

Welche Rolle wird Grüne Gentechnik in der Zukunft spielen?

Nach Ansicht vieler Gentechnik-Experten, werden in diesem Jahr
maßgeblich die Weichen für die weitere Entwicklung der Grünen
Gentechnik in Europa gestellt: Der Europäische Gerichtshof
entscheidet darüber, ob auch Pflanzen, die mit neuen gentechnischen
Verfahren erzeugt wurden, überhaupt als gentechnisch verändert
angesehen werden müssen oder nicht.

Der Hintergrund: Diese Verfahren, allen voran die so genannte
Genschere Crispr/Cas9 (kurz Crispr), manipulieren das Erbgut sehr
präzise und sehr schnell. Die resultierende Pflanze unterscheidet
sich in vielen Fällen in nur einem oder wenigen genetischen
Bausteinen von der Ausgangspflanze. Und: Das gleiche Ziel ließe sich
in vielen Fällen auch mit herkömmlichen Züchtungsmethoden erreichen -

nur eben wesentlich aufwendiger und langsamer.

Einige Fachleute sind deshalb der Ansicht, solche Pflanzen seien
nicht als gentechnisch verändert einzustufen. Gentechnik-Kritiker
sehen das anders. Ihrer Ansicht nach unterscheiden sich die
«genom-editierten» Pflanzen sehr wohl von ihren natürlichen
Vorgängern. Die Risiken der noch jungen Methoden seien zudem noch
nicht genügend erforscht.

Was bedeutet die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs?

Die Konsequenzen sind weitreichend: Stuft der Gerichtshof die
manipulierten Pflanzen als nicht gentechnisch verändert ein, fallen
sie künftig nicht mehr unter die strengen Auflagen des
Gentechnikrechts. Sie müssten vor ihrer Zulassung kein aufwendiges
Prüfverfahren mehr durchlaufen, auch die Kennzeichnungspflicht wäre
obsolet. Sollten sie genau wie die mit herkömmlichen gentechnischen
Methoden erzeugten Pflanzen unter die GVO-Regeln fallen, werden sie
nach Ansicht vieler Experten mittelfristig in Europa keine Chance
haben.