Kassenärzte: «Digitalisierung backt keine Arztzeit»

Auskünfte vom Doktor per Mausklick statt lange im Wartezimmer zu
sitzen? Online könnte für viele Patienten manches schneller gehen.
Mediziner dämpfen aber Hoffnungen auf ganz grundlegend mehr Tempo.

Berlin (dpa) - Die Kassenärzte erwarten Erleichterungen für Patienten
durch neue digitale Angebote in den Praxen - aber kaum zusätzliche
Behandlungszeit. «Die Digitalisierung hat natürlich Möglichkeiten»,

sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas
Gassen, der Deutschen Presse-Agentur. Sie könne etwa Zugriffe auf
Daten und Werte beschleunigen, wenn Patienten mit kontinuierlicher
Blutzuckermessung ihre Angaben einmal die Woche zum Arzt senden.
«Aber Digitalisierung backt keine Arztzeit. Man wird nur in sehr
begrenztem Umfang mehr Luft für andere Aufgaben schaffen können.»

Ein digitales Röntgenbild könne man per E-Mail verschicken, sagte
Gassen. «Aber angucken muss es sich der Arzt ja trotzdem noch.»
Einsetzbar seien viele Anwendungen zudem nur, wenn die technischen
Rahmenbedingungen vorhanden seien. Zum Versenden des Befunds einer
Magnetresonanztomographie (MRT) von Gewebe oder Organen sei zum
Beispiel schnelles Internet erforderlich, wie es in großen Städten
verfügbar sei. «Aber in ländlichen Regionen haben wir überhaupt nic
ht
die Voraussetzungen, um Telemedizin in großem Maßstab zu machen.»

Natürlich gebe es auch Fragen, in denen man Patienten für kurze
Rücksprachen den einen oder anderen Praxisbesuch erübrigen könne.
«Das passiert ja auch schon - das Telefon ist vor einer Weile
erfunden worden», sagte Gassen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
(CDU) hatte unter anderem für neue digitale Angebote geworben, um
überfüllte Praxen zu vermeiden. Kleine Fragen ließen sich auch online

unkompliziert klären. Wartezimmer würden leerer, und es wäre damit
mehr Zeit für aufwendigere Fälle, argumentierte Spahn.

Der KBV-Chef äußerte sich skeptisch zu generell mehr Fernbehandlungen
per Telemedizin. Noch eher unkritisch wäre es, wenn ein Arzt
Patienten kennt und schon direkt behandelt hat. «Da könnte man
manches umfassender als bisher per Telefon machen.» Aber
grundsätzlich sei persönlicher Kontakt wichtig, also Patienten bei
Untersuchungen auch anfassen oder etwa auf Gerüche achten zu können.
«Es wäre schwierig, wenn es Skype-Doktoren gäbe, mit denen Patienten

nur über das Internet und mit hingehaltener Kamera Kontakt haben.»

Mit Blick auf eine neue elektronische Patientenakte, die nach Plänen
der Bundesregierung bis 2021 eingeführt werden soll, sagte Gassen:
«Der Patient sollte seine elektronische Akte kennen und darauf
Zugriff haben - auch zu Hause.» Charmant wäre gewesen, dies auf die
elektronische Gesundheitskarte zu legen und per Geheimnummer abrufbar
zu machen. In der jetzigen Form der Karte ginge es aber technisch
nicht. «Da könnte man nicht einmal ein Röntgenbild abspeichern.»