Schwarz-rote Koalition verspricht Taten

Hat das Wohlfühlklima bei der zweitägigen Klausur des Kabinetts
Merkel IV geholfen? Die Kanzlerin und ihr Stellvertreter sagen: Jetzt
gehts richtig los. Die Opposition meint: Außer Spesen nichts gewesen.

Meseberg (dpa) - Die neue große Koalition will nach dem Gerangel der
vergangenen Wochen mehr Tatkraft zeigen. Der Wille zur Einigung sei
da, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch nach der ersten
Klausur ihres vierten Kabinetts in Schloss Meseberg bei Berlin. «Der
Geist war insgesamt gut. Sehr kooperativ.» Vizekanzler Olaf Scholz
(SPD) sagte zum Abschluss der Klausur: «Teambuilding gelungen. Der
Rest kommt jetzt.» Die Opposition warf der Regierung angesichts
überschaubarer Ergebnisse leere Worthülsen vor.

Ein Thema der Kabinettsklausur war die Diesel-Krise. Zu technischen
Nachrüstungen betroffener Fahrzeuge äußerte sich Merkel skeptisch.
Diese seien «relativ kostenintensiv». Merkel betonte, man habe klare
Erwartungen an die Autoindustrie, die «gravierende Fehler» gemacht
habe. «Dafür kann weder der Kunde gerade stehen noch der
Steuerzahler, sondern dass muss so weit wie möglich von der
Automobilindustrie wieder in Ordnung gebracht werden.» Zuvor war über
einen Nachrüstungsfonds diskutiert worden, finanziert von den
Autokonzernen und mit staatlichen Geldern.

Bei einer Sitzung des Kabinetts wurde beschlossen, dass
Militärausbilder der Bundeswehr für ein weiteres Jahr malische
Soldaten im Kampf gegen Terroristen schulen und beraten. Das Mandat
für den Einsatz in dem westafrikanischen Land wurde bis Mai 2019
verlängert. Weil Deutschland Ende November die Führung der dortigen
EU-Ausbildungsmission übernimmt, soll die Mandatsobergrenze um 50 auf
350 Soldaten angehoben werden.

Angesichts der drohenden Eskalation im Syrien-Konflikt nach einem
mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz und Angriffsdrohungen von
US-Präsident Donald Trump äußerte sich Merkel abwartend zur Rolle
Deutschlands. Merkel sagte, alle Regierungsmitglieder seien sich
bewusst, dass sie auch Aufgaben, die nicht im Koalitionsvertrag
stünden, «gemeinsam lösen und bewerkstelligen wollen.»

Ziel der Klausur sei gewesen, «sich gegenseitig kennenzulernen,
Arbeitsfähigkeiten herzustellen und einfach von außen mal
aufzunehmen, was man an Erwartungen an uns hat» und nicht die
Diskussion über eine detaillierte Vorhabenplanung. 13 der 15
Bundesminister sind neu auf ihren Posten - nach der längsten
Regierungsbildung der Bundesrepublik und starken Bauchschmerzen der
SPD, wieder mit der Union zu koalieren, ging es zunächst um das
Einschwören auf einen gemeinsamen Geist, das Schaffen von Vertrauen.

Merkel bemühte sich, Verständnis für die Diskussionen der ersten
Regierungswochen zu wecken. Bei den Ressortabstimmungen zum
Familiennachzug von nach Deutschland geflüchteten Menschen sei gleich
von Streit die Rede gewesen, kritisierte sie. Hier soll es künftig
einen Nachzug von maximal 1000 Menschen pro Monat geben.

In den ersten Wochen hatten besonders Innenminister Horst Seehofer
(CSU) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für Grundsatzdebatten
gesorgt, etwa ob der Islam zu Deutschland gehört oder ob Hartz IV zum
Leben reicht. Die CSU verwahrte sich gegen Forderungen der SPD an
Merkel, die Minister zur Mäßigung zu ermahnen. Die große Koalition
müsse «eine Koalition der großen Debatten sein», sagte Dobrindt den

Zeitungen der Funke Mediengruppe. Wer Maulkörbe verteilen wolle,
ernte den Protest der Bürger, der sich am Wahltag entlade.

Finanzminister und Vizekanzler Scholz meinte, die Koalition sei gut
gestartet. Am 2. Mai soll das Kabinett seinen ersten Entwurf für
einen Bundeshaushalt beschließen, ohne neue Schulden. Dank der guten
Konjunktur hatte der Überschuss in den öffentlichen Kassen 2017 einen
Rekordwert erreicht. Die Einnahmen überstiegen die Ausgaben um 61,9
Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch
mitteilte. Der Überschuss stieg damit seit 2014 schon das vierte Jahr
in Folge.

Union und SPD wollen daher bis zu 46 Milliarden Euro zusätzlich
investieren, unter anderem in Bildung, mehr Pflegekräfte, eine
bessere Vermittlung von Langzeitarbeitslosen, den Internetausbau und
für eine Offensive beim sozialen Wohnungsbau und ein Baukindergeld.

Merkel kündigte als ein Ergebnis der Klausur an, dass die Kommission
zur Vorbereitung des Kohleausstiegs von Wirtschafts- und
Umweltministerium gemeinsam mit den Ressorts für Arbeit und Inneres
gesteuert werde. Die Geschäftsstelle werde im Wirtschaftsministerium
von Peter Altmaier (CDU) angesiedelt. Die Federführung für die
Kommission war zuletzt umstritten. Scholz sagte, es gehe um die
zentrale Frage, den Betroffenen eine gute Perspektive zu bieten.

FDP-Chef Christian Lindner zog ein vernichtendes Fazit der
Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg. «Außer Spesen nichts gewesen»,

sagte Lindner in Berlin. «Die große Koalition streitet, und sie
präsentiert keine Antworten auf die Fragen, die das Land und die
Menschen bewegen.» Linken-Chef Bernd Riexinger sagte, die Klausur sei
«als reine Wohlfühlveranstaltung ohne konkrete Ergebnisse geplant»
worden. «Die drängenden Probleme in diesem Land wie prekäre
Beschäftigung, Kinder- und Altersarmut, Wohnungsnot, Klimaschutz und
Pflegenotstand mussten außen vor bleiben.» Die Autoindustrie könne
sich weiter auf die Koalition «als willige Lobbyisten verlassen».