Kinder mit Blinddarmentzündung müssen nicht sofort operiert werden

Mehr als 100 000 Mal führen Chirurgen jährlich in Deutschland
Eingriffe wegen einer Blinddarmentzündung durch. Doch nach neuesten
Erkenntnissen muss nicht jedes Kind unmittelbar unters Messer. Können
Antibiotika allein helfen?

Berlin (dpa) - Im Fall einer akuten Blinddarmentzündungen bei Kindern
greifen Chirurgen nicht mehr automatisch zum Skalpell. Sofortige
Operationen seien in vielen Fällen nicht nötig, Kinder könnten
zunächst mit Antibiotika behandelt werden, teilte die Deutsche
Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) am Mittwoch mit. Die Medikamente
sollen helfen, schwere Komplikationen zu vermeiden, eine OP sicherer
zu machen oder eventuell sogar zu verhindern, erklärte
DGCH-Präsident Jörg Fuchs. Den Angaben zufolge gehören Eingriffe

wegen Blinddarmentzündungen, sogenannte Appendektomien, zu den
häufigsten OPs überhaupt. Etwa jeder zehnte Deutsche habe aus diesem

Grund eine Narbe.

Noch bis vor wenigen Jahren drängten Ärzte schon beim Verdacht auf
Blinddarmentzündung auf eine schnelle Operation - aus Angst vor einem
Blinddarmdurchbruch. Dieser kann lebensgefährlich sein. Allerdings
gab es darunter auch unnötige OPs, in denen sich der Blinddarm als
gar nicht entzündet herausstellte.

Vor allem eine schwedische Studie vor zwei Jahren brachte nun ein
Umdenken in Gang: Sie habe gezeigt, dass es offensichtlich möglich
ist, Blinddarmentzündungen bei Kindern nur mit Antibiotika - die seit
langem ohnehin begleitend zur OP gegeben werden - sicher zu
behandeln, erklärte Bernd Tillig von der Deutschen Gesellschaft für
Kinderchirurgie. Folgestudien würden von Fachleuten diskutiert.

Bei erfolgreicher Behandlung bleiben Kindern die Narkose und die OP
erspart. Die Misserfolgsrate sei mit bis zu 40 Prozent allerdings
relativ hoch, schilderte Tillig. In dem Fall müssten Kinder nach
einigen Tagen dann doch noch operiert werden. Und selbst wenn junge
Patienten geheilt entlassen werden, könnten neuerliche Entzündungen
folgen, was dann in der Regel doch zur OP führe.

Der Verzicht auf eine Sofort-OP dank Antibiotika und Schmerzmittel
verschafft Ärzten in jedem Fall mehr Zeit, um eine genaue Diagnose zu
stellen. Fehldiagnosen seien inzwischen selten geworden, erklärte der
Experte. Besonders wichtig hierbei seien Ultraschalluntersuchungen.

Blinddarmentzündungen können mit starken Schmerzen im rechten
Unterbauch einhergehen, manchmal begleitet von Übelkeit und Erbrechen
oder Durchfall. Die Krankheit ist bei Kindern und Jugendlichen
besonders häufig. Anders als der Name vermuten lässt, ist dabei nicht
der Blinddarm selbst entzündet, sondern der kleine Wurmfortsatz.
Dessen Funktion im menschlichen Körper ist nicht völlig geklärt.