Bauch, Beine, Po: Immer mehr Senioren gehen ins Fitness-Studio Von Yuriko Wahl-Immel, dpa

Die ältere Generation zieht es zunehmend ins Fitness-Studio. Die
Branche sieht bei den «Best Agern» viel Potenzial und stellt ihre
Angebote auf die Gruppe 60 plus ein - von Krafttraining und Physio,
bis Rückenschule.

Bergisch Gladbach (dpa) - Beine, Bauch, Brust - drei Stunden Training
sollen es schon sein, wenn Helmut an den Geräten schwitzt. Mit 85
Jahren. «Ich bin ein Oldtimer. Aber ich habe Muskeln. Wehe, wenn mir
einer zu nahe kommt.» Im Family Fitness Club in Bergisch Gladbach
beginnt der gesundheitsbewusste Rentner mit 30 Minuten kräftigem
Ergometer-Training, dann kommen viele gezielte Übungen für die
Oberkörper-Muskulatur, zum Abschluss Tiefenwärme auf einer
Infrarotbank. «Meine Enkel sagen immer, ich soll nicht übertreiben.
»

Bei einem Blick durch das Fitness-Studio wird deutlich: Er ist
beileibe nicht der einzige Senior. Viele Grauhaarige geben Gas auf
Stepper, Crosstrainer, Laufband und an den Kraftgeräten.

«Best Ager» heißen die höheren Semester in der Fitness-Branche. Ein
e
kräftig steigende und lukrative Zielgruppe, wie sich zum Start der
Fitnessmesse Fibo am Donnerstag in Köln zeigt. Ihr Anteil unter den
deutschlandweit 10,6 Millionen Mitgliedern in Fitness-Studios Ende
2017 wächst und wächst: Rund 1,33 Millionen Frauen und Männer sind 60

oder älter, zählt der Arbeitgeberverband deutscher Fitnessanlagen
DSSV. Binnen nur vier Jahren ist das fast ein Plus von 20 Prozent.

Und sie bringen viel Geld. Mit den Trainierenden ab 50 Jahren
erwirtschafteten die Studios 2017 einen «wesentlichen Anteil am
Gesamtumsatz» von 5,2 Milliarden Euro, betont der DSSV. Die Prognose
des Verbands: «Diese Altersgruppe bietet für die Zukunft ein noch
größeres Potenzial.» Das wird sich auf der Fibo, die am Wochenende
auch fürs allgemeine Publikum geöffnet ist, bei Angeboten von Geräten

bis Trainingskonzepten deutlich widerspiegeln.

Der Altersdurchschnitt der rund 1700 Studio-Mitglieder in Bergisch
Gladbach bei Köln liegt etwas über 50 Jahren. «Den meisten geht es um

Athletik und Gesundheit», sagt Studioleiter Wieland Westhoff. «Die
optischen Aspekte rücken mit dem Alter doch etwas in den
Hintergrund.» Und doch spielen sie eine Rolle bei reifen Sportlern.

«Ich will lange gesund bleiben - und ich will eine gute Figur haben»,
sagt Monika Schmitter, schlank, 72 Jahre alt. Am Bauch-Po-Gerät
presst sie energisch Gewichte zur Seite, 10 Mal, 20 Mal, 30 Mal. «Das
ist gut für die Oberschenkel, die müssen schön straff bleiben. Und

ein flacher Bauch ist für uns Frauen auch ganz wichtig.» Dreimal die
Woche kommt sie, vormittags, wenn viele Mitstreiter im Rentenalter
ihre Übungen machen. «Hier sind ja viele 60 aufwärts, da fühlt man

sich wohler.» Geselligkeit und soziale Kontakte sind inklusive. «Nach
dem Training man kann quatschen, was zusammen trinken.»

Viele in der Branche wollen die höhere Altersgruppe an sich binden.
«Die Fitness-Industrie hat sich auf diese Zielgruppe bereits gut
eingestellt und wird das auch in Zukunft verstärkt tun», sagt ein
DSSV-Sprecher. Also: Besonders ausführlicher Gesundheitscheck bei der
Aufnahme, viel altersgerechtes Krafttraining, Rückenschule. In
manchen Studios gehören Reha-Sport oder Physiotherapie dazu.

Im Studio in Bergisch Gladbach bei Köln trainiert jeder «Best Ager»

nach eigenem Programm - mögliche körperliche Einschränkungen sind
berücksichtigt. Viele Ältere machen mit bei einem elektronisch
gesteuerten Ausdauer-Zirkeltraining mit, alle Geräte stellen sich
automatisch auf Körperdaten und Leistungsfähigkeit der Seniorsportler
ein. Großgeschrieben werden Herz-Kreislauf-Stärkung, Präventionssport

und eine enge Betreuung, sagt Leiter Westhoff.

Die Rentner bleiben oft beharrlicher am Ball als die Jüngeren, auch
weil sie Zeit haben, wie der Studioleiter beobachtet. Für Clemens
Berghaus, 73, drahtiger Typ, trifft das zu: «Seit fast zehn Jahren,
seit ich aus dem Job raus bin, trainiere ich dreimal die Woche.»
Ausdauernd tritt er in die Pedale: «Mein Ziel ist körperliche Fitne
ss
- und die ist ja auch wiederum wichtig für die Psyche.»

Rund 9000 Fitness-Studios gibt es mittlerweile bundesweit. Große
Ketten, teils 24 Stunden geöffnet, Einzelbetriebe, Mikrostudios - mit
unterschiedlichen Ausrichtungen. Berghaus schmunzelt: «Wir Älteren
brauchen jedenfalls keine Muckibude, auch keinen Single-Treff. Bei
uns geht es eher familiär zu.» Allerdings gelte für viele in seiner
Altersgruppe: «Wir sind ausdauernd, vernunftbestimmt und auch ein
bisschen ehrgeizig.»