GroKo sucht bei Kabinettsklausur nach gemeinsamer Linie

Die Bundesregierung steht innen- und außenpolitisch vor riesigen
Herausforderungen. Da ist mehr Teamgeist zwischen Union und SPD
gefragt. In Meseberg bemühen sie sich zumindest, ein Signal der
Geschlossenheit auszusenden.

Meseberg (dpa) - Nach den Misstönen der vergangenen vier Wochen will
sich die Bundesregierung nun zusammenraufen und eine gemeinsame Linie
fahren. CDU, CSU und SPD versicherten am Rande einer Kabinettsklausur
am Dienstag im brandenburgischen Meseberg, die deutsche Wirtschaft in
einer guten Verfassung zu halten. So sollen die Voraussetzungen für
Investitionen, mehr Wohlstand und neue Arbeitsplätze geschaffen
werden.

Allerdings bleibt die Frage, ob es Kanzlerin Angela Merkel (CDU)
gelingt, auf Dauer für die nötige Geschlossenheit in ihrem dritten
schwarz-roten Kabinett zu sorgen. Für Debatten hatten zum Start der
großen Koalition besonders zwei Unions-Minister gesorgt: CSU-Chef und
Bundesinnenminister Horst Seehofer sowie Gesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) mit Aussagen zum Islam und zu Hartz IV sowie zu vielen
rechtlosen Zonen in Deutschland.

Zu den innenpolitischen Vorhaben sagte Arbeitsminister Hubertus Heil
(SPD), der Regierung gehe es um Vollbeschäftigung in Zeiten eines
technologischen Wandels. So solle etwa in einem der ersten
Gesetzgebungsverfahren der Koalition für eine Brücke zwischen Teil-
und Vollzeitarbeit gesorgt werden. 

Merkel hatte in der letzten GroKo angekündigt, bis 2025
Vollbeschäftigung erreichen zu wollen. Das Ziel dieser neuen
Koalition, deutlich mehr Menschen in Arbeit zu bringen, soll auch
durch eine milliardenschwere Offensive mit Lohnzuschüssen und
Qualifizierungsmaßnahmen für rund 150 000 Langzeitarbeitslose
ermöglicht werden.

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte, Vollbeschäftigung sei
nur zu erreichen, wenn eine «neue Dynamik für Deutschland» ausgelös
t
werde. Dies gehe nur mit Investitionen, Reformen und Innovationen. Es
müsse eine Balance erreicht werden zwischen sozialer Verantwortung
und wirtschaftlichem Erfolg. Dabei gehe es auch um neue Beschäftigung
im Zeitalter der Digitalisierung.

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer, der ebenso wie DGB-Chef Reiner
Hoffmann zu der Klausur eingeladen war, warnte die Koalition vor zu
hohen Ausgaben und Wohlfühlprogrammen. Die günstige Wirtschaftslage
halte nicht auf Dauer. «Die Zinswende steht an, Protektionismus in
immer mehr Ländern gefährdet unseren Export, Steuersenkungen in den
USA und anderen Ländern werden Investitionen umleiten.»

Aber auch außenpolitisch kommen schwierige Aufgaben auf die
Bundesregierung zu. Beim Gespräch mit Nato-Generalsekretär Jens
Stoltenberg am Nachmittag dürfte es auch um die Eskalation im
Syrien-Konflikt gegangenen sein. US-Präsident Donald Trump hatte 
deswegen eine Reise nach Südamerika abgesagt. Die US-Regierung
schloss zuvor militärische Schritte gegen die syrische Regierung
nicht aus, nachdem es am Samstag in der Stadt Duma zu einem
mutmaßlichen Giftgaseinsatz gekommen war.

Bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko
in Berlin machte Merkel am Vormittag deutlich, dass sie eine
Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats zu dem mutmaßlichen
Giftgaseinsatz unterstütze und forderte eine klare Verurteilung. «Wir
müssen da eine sehr, sehr deutliche Sprache sprechen.» Der Besuch
Poroschenkos machte zudem deutlich, dass sich im Ukraine-Konflikt mit
Russland zuletzt wenig bewegt hatte.

Das Treffen mit Stoltenberg dürfte die Kanzlerin auch daran erinnert
haben, dass sie zugesagt hatte, bis 2024 die Verteidigungsausgaben
auf zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt zu erhöhen. Im Anschluss an
Stoltenberg kam am späten Nachmittag EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker nach Meseberg. In diesen Gesprächen dürfte es
angesichts der im Mai drohenden US-Strafzölle um das Verhältnis der
EU zur Amerika gehen. Ende des Monats will die Kanzlerin zu Trump
nach Washington reisen.

Führende SPD-Politiker hatten angesichts des Hickhacks vor allem in
der Union unmittelbar vor Beginn des Treffens ein Machtwort Merkels
verlangt. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) machte
im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur nochmals deutlich, dass
es sich auch bei der dritten großen Koalition um keine Liebesheirat
handele.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil verlangte im Radiosender Bayern 2,
die Sacharbeit der Minister müsse nun beginnen. Unionsfraktionschef
Volker Kauder (CDU) kritisierte die mahnenden SPD-Worte an die
Adresse der Union. Die Menschen erwarteten, dass sich die Regierung
der aktuellen Herausforderungen annehme, sagte er der dpa. Die
Menschen wollten nur eines: «Die Koalition soll jetzt handeln.»

Das Kabinett will bis Mittwoch in Meseberg, im Gästehaus der
Bundesregierung knapp 70 Kilometer nördlich von Berlin, unter anderem
über die Prioritäten für das Arbeitsprogramm bis zur Sommerpause
beraten. Umweltaktivisten begleiteten die Ankunft der
Kabinettsmitglieder mit Protesten gegen eine mögliche Nachrüstung von
Dieselautos mit Steuergeld. Scheuer deutete an, dass solche
emotionalen Debatten bei dem Problem nicht weiterhülfen.