Holperstart: GroKo sucht bei Kabinettsklausur nach Teamgeist

Seit vier Wochen sehen die Bürger dem Hickhack in der neuen Regierung
zu. Auch wenn es wieder keine «Liebesheirat» zwischen Union und SPD
ist: Mehr Teamgeist darf schon sein. Bringt Meseberg die Wende? Das
Wetter spielt jedenfalls mit.

Meseberg (dpa) - Die anhaltenden Misstöne in der neuen großen
Koalition haben den Druck auf Kanzlerin Angela Merkel erhöht, bei
einer Kabinettsklausur für mehr Geschlossenheit zu sorgen. Führende
SPD-Politiker verlangten unmittelbar vor Beginn des Treffens am
Dienstag in Meseberg ein Machtwort der CDU-Chefin. Niedersachsens
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) macht nochmals deutlich, dass es
sich auch bei der dritten großen Koalition unter Merkel um keine
Liebesheirat handele. «Flitterwochen sehen anders aus», sagte er der
Deutschen Presse-Agentur.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil verlangte im Radiosender Bayern 2,
die Sacharbeit der Minister müsse nun beginnen. In den vergangenen
Wochen habe es einen «Wettbewerb um die besten Überschriften zwischen
Herrn Spahn und Herrn Seehofer» gegeben, kritisierte er. Klingbeil
bezog sich auf Äußerungen von Innenminister Horst Seehofer (CSU) und
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die mit Aussagen zum Islam und
zu Hartz IV und innerer Sicherheit Kontroversen ausgelöst hatten.

Die Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann,
forderte am Dienstag, dem ersten Tag der Klausur, dazu auf, endlich
mit «guter Regierungsarbeit» zu beginnen. Hoffmann wie
Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer nehmen als Vertreter der
Tarifparteien an der Klausur im Gästehaus der Bundesregierung im
brandenburgischen Meseberg teil. Merkel hatte in der letzten großen
Koalition angekündigt, bis 2025 Vollbeschäftigung erreichen zu
wollen.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) kritisierte die mahnenden
SPD-Worte zur Union. Nach der langen Regierungsbildung erwarteten die
Menschen, dass sich die Regierung der aktuellen Herausforderungen
annehme. «Dazu sind einige Wortmeldungen aus der SPD so kurz vor der
Klausur nicht hilfreich», sagte Kauder der dpa. «Was soll damit
erreicht werden, fragt man sich.» Die Menschen wollten nur eines:
«Die Koalition soll jetzt handeln.»

Das Kabinett will bis Mittwoch in Meseberg knapp 70 Kilometer
nördlich von Berlin unter anderem über die Prioritäten für das
Arbeitsprogramm bis zur Sommerpause beraten. Umweltaktivisten
begleiteten am Dienstagmittag die Ankunft der Kabinettsmitglieder in
dem brandenburgischen Dorf mit Protesten gegen eine mögliche
Nachrüstung von Dieselautos mit Steuergeld.

Ein Thema wird dort auch der Bundeshaushalt für das laufende Jahr
sein, den Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) nach der
ungewohnt langen Regierungsbildung jetzt rasch aufstellen muss.
Erklärtes Ziel ist es, wie seit 2014 einen Haushalt ohne neue
Schulden («Schwarze Null») vorzulegen. Der Entwurf soll bis Ende
April stehen und bis Anfang Juli vom Bundestag beschlossen werden.

Das Ziel der Koalition, deutlich mehr Menschen in Arbeit zu bringen,
soll auch durch eine milliardenschwere Offensive mit Lohnzuschüssen
und Qualifizierungsmaßnahmen für rund 150 000 Langzeitarbeitslose
ermöglicht werden. Zudem sollen zügig die gesetzlichen Grundlagen für

eine Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus auf den Weg gebracht
werden.

Zur Beratung internationaler Herausforderungen wurden auch
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Nato-Generalsekretär
Jens Stoltenberg auf das Schloss Meseberg geladen. In diesen
Gesprächen dürfte es angesichts der drohenden US-Strafzölle um das
Verhältnis der EU zur Amerika gehen, aber auch um eine von Merkel
zugesicherte Aufstockung der Verteidigungsausgaben. Angesprochen
werden könnten aber auch die Lage in Syrien und das Verhältnis zu
Putins Russland. 

Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, sagte
der dpa, sein Verband erwarte vor allem mehr Investitionen in
ländliche Infrastrukturen, insbesondere in eine schnelle
Internetversorgung.

FDP-Chef Christian Lindner kritisierte in der «Rhein-Neckar-Zeitung»
(Dienstag), die Pläne der Koalition, von der Mütterrente bis zum
Bildungspaket, seien nicht finanziert. «Ein Grundproblem der Methode
Merkel ist, dass politische Unterschiede durch Geld überwunden werden
sollen», bekräftigte er seien Kritik. Zu den Islam-Äußerungen
Seehofers sagte Lindner der «Passauer Neuen Presse»: «Wenn es eine
vernünftige Einwanderungspolitik gäbe, müsste man nicht solche
nutzlosen symbolischen Debatten führen.»