Strahlenklinik für krebskranke Pferde - Letzte Hoffnung für Rasputin Von Jörn Perske, dpa

Strahlentherapien kommen im Kampf gegen Krebs auch bei Pferden zum
Einsatz. In Hessen hat ein neues Onkologisches Tiermedizin-Zentrum
eröffnet. Es ist das einzige bundesweit mit einen Linearbeschleuniger
für die Behandlung von Pferden. Ob die Methode ihr Geld wert ist?

Linsengericht (dpa) - Nach der Behandlung, die ihm das Leben retten
soll, ist Rasputin noch etwas benommen. Mit nachlassender Narkose
kommt der 28 Jahre alte Wallach wieder auf die Beine. Etwas staksig,
aber er steht und schüttelt sich. Tierärztin Janine Brunner (32)
schaut zufrieden in die gepolsterte Aufwach-Box und sagt: «Er hat's
gut überstanden. Ich bin überzeugt, wir konnten ihm helfen.» Rasputin

leidet unter einem Krebstumor am Schlauch - dem Penis des Pferdes.

«Eine Strahlentherapie war die einzige Möglichkeit für ihn», erkl
ärt
Pferdebesitzerin Stefanie Lobbe (31) aus Nordrhein-Westfalen. Die
Bürokauffrau hat ihr geliebtes Freizeit-Pferd dafür nach Hessen in
die Gemeinde Linsengericht gebracht. Dort gibt es seit einigen
Monaten ein neues Onkologisches Zentrum für Veterinärmedizin, in dem
auch modernste Technologien und Verfahren aus der Humanmedizin
eingesetzt werden. Es ist nach Betreiber-Angaben eine deutschlandweit
einmalige Strahlenklinik für krebskranke Pferde. «Etwas
Vergleichbares gibt es erst wieder in England und den USA», sagt
Inhaber Tim Kowalewski (50), studierter Ingenieur und Inhaber der
Equinox Healthcare GmbH. Die Pferdeklinik der Universität Gießen
bestätigte das Alleinstellungsmerkmal.

Kowalewski hat früher Bestrahlungsgeräte verkauft und die
«Marktlücke» erkannt - angesichts von 1,2 Millionen Pferden allein in

Deutschland. Mit der Unterstützung von Investoren hat er für sieben
Millionen Euro die Klinik nahe der Autobahn 66 östlich von Frankfurt
bauen lassen. Auf die Idee kam Kowalewski, als er nach einer
Strahlentherapie für das krebskranke Pferd seiner Frau suchte - «aber
es gab auf dem europäischen Festland nichts», was dem Tier wirklich
helfen konnte. Nun behandelt Kowalewskis Team Tiere fast aller
Größen: «Vom zwei Kilogramm leichten Kaninchen bis zum 950 Kilogramm

schweren Kaltblut-Pferd können wir alles punktgenau und schonend
bestrahlen.»

Doch nicht alle Veterinärmediziner sind so euphorisch. Der Münchner
Tierarzt Ulrich Wendlberger etwa hält die Methode mit Vollnarkose und
Linearbeschleuniger für überdimensioniert. Und auch Professor Michael
Röcken von der Pferde-Klinik an der Universität Gießen gibt kritisch

zu bedenken: Es könnten nicht alle Tumorarten bestrahlt werden. Und
um die Erfolgsaussichten zu bewerten, fehle noch Datenmaterial.
Vollnarkosen seien für die Pferde auch risikoreich. Sie könnten sich
in der Aufwachphase die Gliedmaßen brechen. Die Klinik in
Linsengericht versichert, alles zur Reduzierung der Narkose-Risiken
zu tun. «In der kurzen Zeit seit der Inbetriebnahme können wir auf
über 200 erfolgreiche Narkosen zurückblicken», sagt der Klinik-Chef.


Behandlungen in Linsengericht haben überdies ihren Preis. Bei
Kleintieren wie Hunden und Katzen betragen die Kosten je nach Aufwand
zwischen 600 und 2000 Euro; bei Pferden kostet das Komplettpaket mit
mehrtägiger Unterbringung zwischen 1500 und 4000 Euro. Stefanie
Lobbe, die Besitzerin von Fjordpferd Rasputin, hat glücklicherweise
eine Versicherung für Tier-Operationen abgeschlossen. So muss sie
sich wegen der Rechnung keine großen Sorgen machen.

Rasputin bekommt in seinem Behandlungszyklus sechs Bestrahlungen. Um
den Norweger für die Radiotherapie vorzubereiten sind mehr als ein
halbes Dutzend Helfer und Helferinnen nötig. Rasputin wird zunächst
per Injektion sediert. Leicht benebelt wird er in die
Behandlungshalle geführt. Nachdem er dort die Narkose bekommen hat,
hält es ihn nicht mehr auf den Beinen. Seine Vorder- und Hinterläufe
werden zusammengebunden. Mit einem Lastenkran unter der Decke wird er
auf den OP-Tisch transportiert - knapp 500 Kilogramm Pferd schweben
durch die Halle. Der OP-Tisch wird unter den Linearbeschleuniger
gefahren. Dort wird der Tumor bestrahlt. Danach wird Rasputin unter
Aufsicht des Personals in seine Aufwach-Box gebracht.

Behandelt werden auch teure Sportpferde. «Wir hatten auch schon eines
der besten Rennpferde Frankreichs hier, das Millionen Euro für seine
Besitzer verdient hat», sagt Tierärztin Brunner. Etwa 70 Prozent der
therapierten Pferde dienen nur dem Freizeitspaß. «Die Besitzer - egal
ob für Hund, Katze oder Pferd - sind zunehmend bereit, mitunter auch
hohe Summe für die Behandlung zu investieren.»

Mit den Fortschritten in der Medizin steigen auch die Heilungschancen
für die Tiere. Bei an Krebs erkrankten Katzen liegen die Chancen - je
nach Tumor - bei 94 Prozent, wie Brunner sagt. Erfolgsaussichten für
Pferde seien noch nicht gesichert zu beantworten. Die Datenbasis sei
zu gering, erklärt Brunner, die zuvor an der Uni Gießen arbeitete.
Die Therapie für krebskranke Tiere hat für Brunner auch Grenzen. «Es

darf nicht nach der Devise gehen: Es wird behandelt, was der
Geldbeutel hergibt. Es muss ethisch verantwortbar sein.» Das
Wichtigste sei, dass die Tiere nicht leiden. «Wirtschaftliche
Interesse rücken da in den Hintergrund», erklärt sie.

Stefanie Lobbe, Besitzer von Rasputin, wird in etwa acht bis zehn
Wochen wissen, wie die Strahlentherapie mit dem Linearbeschleuniger
auf ihr Pferd gewirkt hat. Dann habe sie aussagekräftige Ergebnisse.