Neue Acrylamid-Regeln: «Ich mache einfach weiter leckere Pommes» Von Carolin Scholz, dpa

Gibt es jetzt nur noch labbrige Pommes? Viele befürchteten das, als
im vergangenen Dezember eine neue EU-Verordnung zu Acrylamid in
Lebensmitteln in Kraft getreten ist. Doch die Imbisswirte machen sich
keine Sorgen.

Wattenscheid (dpa) - Er ist ein echter Pommes-Philosoph. Wie Raimund
Ostendorp da hinter seiner Theke im Profi-Grill, der weit über
Wattenscheid hinaus bekannt ist, steht, bringt ihn so schnell nichts
aus der Ruhe. Erst recht keine EU-Verordnung. «Wer soll da kommen?
Die Pommes-Polizei?», sagt er mit breitem Grinsen. Aber mal im Ernst:
Wer bis jetzt auf die Qualität seiner Ware geachtet hat, der müsse
eigentlich nichts ändern.

Am 11. Dezember ist die neue EU-Verordnung zu Acrylamid in Kraft
getreten. Nach einer viermonatigen Übergangsfrist wird sie nun
verbindlich. Darin sind Vorgaben formuliert, an die sich
Lebensmittelhersteller halten sollen, damit weniger des
krebserregenden Stoffes im Endprodukt landet. Acrylamid entsteht beim
starken Erhitzen von stärkehaltigen Produkten - wie zum Beispiel
Kartoffeln oder Mehl.

Weniger Hitze, weniger lange in der Fritteuse, weniger braun. So in
etwa lässt sich zusammenfassen, was sich für die Herstellung von
Pommes frites ändern soll. Richtwerte geben an, wie viel Acrylamid
die Fritten höchstens haben sollten. Auch zu den Sorten, die
verwendet werden, zur Lagerung der Kartoffeln und dazu, wie häufig
das Fett gewechselt werden muss, werden Hinweise gegeben.

Hinweise, die einer wie Raimund Ostendorp gar nicht braucht. Denn der
frühere Sternekoch weiß, wie man mit Lebensmitteln umgeht. Von
Vorblanchieren und zu lange frittierten Fritten, braucht ihm niemand
etwas erzählen. Aber: «Manche Kunden wollen braune Pommes», fragten
sogar explizit danach. Ob sie die auch jetzt noch bekommen? Ostendorp
zuckt mit den Schultern. Der Kunde sei doch nun mal König. Und
dennoch wisse auch er, dass es auf dem Markt Kollegen gebe, die viel
zu heiß und mit altem Fett frittieren. «Da sind die Pommes schon
braun, wenn sie in die Fritteuse kommen.»

Besonders an solche richtet sich die Verordnung. «Es gibt genügend
Imbisse, an denen die Vorgaben bislang nicht so genau befolgt
wurden», sagt Armin Valet, Sprecher für den Bereich Ernährung und
Lebensmittel bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Und gegen die gebe
es jetzt eine bessere Handhabe. «Für Behörden war es bisher
schwierig, einzugreifen. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr», sagt
Valet. Für die Verbraucherzentrale könnte die Verordnung ruhig noch
weiter gehen. Richtige Grenz- statt nur Richtwerte zum Beispiel. Denn
Acrylamid sei gesundheitlich nicht zu unterschätzen. Auch wenn
Langzeitfolgen noch nicht ganz absehbar seien, gelte schon jetzt:
Besser so wenig wie möglich. 

«Braune Pommes verkaufen wir sowieso nicht», sagt Ronald Gottwald,
Inhaber des Bochumer Bratwursthauses. Er hätte erst einmal nicht
gewusst, wie er die neue Verordnung im Arbeitsalltag umsetzen soll.
Nach genaueren Überlegungen kam er zum Schluss: Es ändert sich
erstmal gar nichts. «Wir haben bei unserem Lieferanten nachgefragt,
wie die Pommes vorbehandelt sind», sagt er, dann habe es die gleiche
Ansage an die Leute, die an der Fritteuse stehen, gegeben, wie
bisher. 170 Grad, dreieinhalb Minuten - alles andere würde ohnehin zu
einem unbrauchbaren Ergebnis führen. «Wir achten jetzt vielleicht
noch mehr darauf, dass die Pommes nicht zu braun werden», sagt
Gottwald.

Dass die Umsetzung der Verordnung an manchen Stellen unklar ist,
findet auch der Hotel und Gaststättenverband Dehoga. «Die
Beschreibungen in der Verordnung lesen sich für uns eher als ein
Appell», sagt Dehoga-Sprecher Thorsten Hellwig. Der Verband versuche,
die Wirte zu informieren und zu sensibilisieren. Wie die Richtlinie
von den Behörden durchgesetzt werde, sei aber abzuwarten.

«Proben ziehen» werden die Kontrolleure, wie Manfred Woller,
stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands für
Lebensmittelkontrolleure erklärt. Das heißt: Das Kontrollpersonal
bringt Pommes aus den Buden ins Labor. Dort werden diese auf
Acrylamid untersucht. «Wenn es daraus Beanstandungen gibt, wird nach
Ursachen gesucht.» Hat der Koch etwa das Fett nicht oft genug
gewechselt? Oder gibt er zu viel Hitze an die Kartoffeln? «Dann wird
darauf gedrängt, die Verfahrensweise umzustellen», sagt Woller.
Folgeproben seien in solchen Fällen selbstverständlich.

«Die können mich ruhig kontrollieren», sagt Raimund Ostendorp. Und

dann wird er noch einmal philosophisch. Bei ihm stünden Pastor,
Rocker und Apotheker nebeneinander an der Theke. Vielleicht weiß
nicht jeder, dass braune Pommes schlecht für die Gesundheit sind.
Aber ein Kundenwunsch sei eben nicht immer vernünftig. Ob man den
Kunden deshalb zu seinem Glück - also zu weniger Acrylamid im Essen -
zwingen sollte? Welche Meinung Ostendorp dazu hat, kann man an seinem
Blick ablesen. «Ich mache einfach weiter leckere Pommes», sagt er.