Reicht Hartz IV? Warum das für viele nicht die richtige Frage ist Von Basil Wegener und Klaus Tscharnke, dpa

Jens Spahn eckt mit Hartz-IV-Äußerungen gewaltig an. Selbst aus
seiner eigenen Partei kommt die Forderung, lieber die
Langzeitarbeitslosigkeit zu senken als über Hartz zu debattieren.

Berlin (dpa) - Mit Hartz IV könne jeder ein Dach über dem Kopf haben
- jeder bekomme auch das Nötige zu essen - mit diesem Standpunkt hat
der designierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Vorwurf der
Abgehobenheit auf sich gezogen. Wie ist der Stand bei Hartz IV heute
- und was sind Reformperspektiven?

Was bekommen Hartz-IV-Empfänger?

416 Euro pro Monat - das gilt für Alleinstehende. 374 Euro pro Person
sind es bei Paaren. Für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren gibt es
316 Euro. Für Kinder zwischen 6 und 14 Jahren sind es 296, für Kinder
unter 6 Jahren 240 Euro.

Wann wurde Hartz IV eingeführt und war es erfolgreich?

Eingeführt wurde Hartz IV mit der im Herbst 2003 auf den Weg
gebrachten Agenda 2010 des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder -
in diesem Herbst wird die Agenda 15 Jahre alt. Arbeitslosen- und
Sozialhilfe-Empfänger sollten endlich Betreuung aus einer Hand
bekommen - und bessere Jobperspektiven. Arbeitsmarktforscher stellten
aber schon 2009 erhebliche Mängel bei der Betreuung von
Hartz-IV-Betroffenen fest. Als Erfolg werteten sie dagegen,
dass Arbeitslose bei den angebotenen Jobs inzwischen weniger
wählerisch sind. Kritiker sagen aber: Der Druck auf die Menschen ist
zu groß.

Wie viele Hartz-IV-Empfänger gibt es? 

Im Durchschnitt des Jahres 2017 gab es in Deutschland 6,07 Millionen
Hartz-IV-Bezieher - 4,37 davon waren sogenannte erwerbsfähige, also
arbeitslose, Menschen; beim Rest handelt es sich unter anderem um
Familienangehörige. Vor zehn Jahren lag die durchschnittliche Zahl
der Hartz-IV-Bezieher noch bei 7,09 Millionen - davon
5,24 Arbeitslose. Damals gab es also gut eine Millionen
Hartz-Bezieher mehr als heute.

Wie viele Langzeitarbeitslose gibt es?

Die Zahl liegt deutlich darunter, auch weil man nicht mehr als
langzeitarbeitslos gilt, wenn man nur kurzzeitig einen Job ausübt. Im
Januar gab es mehr als 868 000 Langzeitarbeitslose - also Menschen,
die länger als ein Jahr arbeitslos waren, darunter 487 000 ohne
abgeschlossene Ausbildung. Mehr als 150 000 Arbeitslose sind fünf
Jahre und länger ohne Job.

Was will die neue Regierung?

Union und SPD haben sich Vollbeschäftigung zum Ziel gesetzt - also
auch den Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit. Geplant sind dabei vor
allem Lohnkostenzuschüsse für einen sozialen Arbeitsmarkt. Der Staat
bezahlt dabei einen Teil des Lohns, damit die Betroffenen nicht
länger arbeitslos sind. Bis zu 150 000 Menschen sollen davon
profitieren, vier Milliarden Euro zusätzlich sind dafür vorgesehen.
Sonst ist bei Hartz bislang nicht viel geplant, in der SPD läuft aber

eine Debatte über die Höhe der Regelsätze.

Ist das vor allem eine SPD-Forderung?

Nicht nur, auch die Union hatte in ihrem Wahlprogramm verstärkte
Hilfe vorgesehen, damit Langzeitarbeitslose wieder an einen Job
kommen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Arbeitsmarktpolitiker Kai
Whittaker fordert nun sogar, eine konzertierte Aktion zum Abbau von
Langzeitarbeitslosigkeit und eine stringente Reform des
Hartz-IV-Systems: «Das System muss seinen Schwerpunkt darauf legen,
dass Menschen aus Hartz IV herauskommen.» Die Antwort auf Hartz IV
seien nicht höhere Sozialtransfers, sondern Qualifizierung und ein
guter Job.

Was sagen die Arbeitgeber?

Sie wehren sich gegen mehr Sozialausgaben und fordern größere
Anstrengungen bei Bildung und Kinderbetreuung. Das arbeitgebernahe
Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kritisiert den Plan eines
sozialen Arbeitsmarkts: Zweifelhaft sei, ob staatlich bezahlte Jobs
zu einer Eingliederung auf dem normalen Arbeitsmarkt führten.
Betroffene, die einen staatlich bezahlten Job bekämen, reduzierten
ihre eigenen Bemühungen auf dem normalen Arbeitsmarkt, hieß es.