Kauder signalisiert SPD Entgegenkommen bei Kassenpatienten

Offiziell haben die Koalitionsverhandlungen noch nicht begonnen. Doch
nach dem Votum des SPD-Parteitags ist klar: Die SPD-Spitze erwartet
Bewegung von der Union. Gibt es darauf erste Hinweise?

Berlin (dpa) - Mit Blick auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen
hat Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) Kompromisssignale an die
Sozialdemokraten gesendet. «Bei der Gesundheitsversorgung will
natürlich auch die Union Verbesserungen», sagte Kauder den Zeitungen
der Funke Mediengruppe (Dienstag). Zwar lehne er die von der SPD
geforderte Vereinheitlichung der Ärztehonorare ab. «Eine pauschale
Angleichung der Ärztehonorare würde vermutlich fünf Milliarden Euro
kosten», sagte er. «Die bringt uns auch nicht weiter.» Gezielt als
Anreiz für mehr Ärzte auf dem Land wären «höhere Honorare für d
ie
Behandlung von Kassenpatienten» aber «ein sinnvolles Instrument».

Der SPD-Sonderparteitag hatte die Parteiführung aufgefordert, in den
Verhandlungen über eine neue große Koalition mehrere Punkte
durchzusetzen. Dazu gehört - neben der Abschaffung von grundlos
befristeten Arbeitsverhältnisse und einer «weitergehenden
Härtefallregelung» für den Familiennachzug von Flüchtlingen - die
Überwindung der «Zwei-Klassen-Medizin».

Auf Ablehnung stößt die SPD-Forderung nach einer Reform der
Ärztevergütung beim Verband der Privaten Krankenversicherung. «Eine
einheitliche Gebührenordnung wäre die Einheitsversicherung durch die
Hintertür», sagte Verbandsdirektor Volker Leienbach dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag). «Jede Arztpraxis würde
im Schnitt über 50 000 Euro pro Jahr verlieren, wenn die höheren
Honorare der Privatversicherten wegfielen», sagte Leienbach. Viele
Praxen müssten schließen. «Wenn nun die SPD verspricht, es gebe dabei

keine Honorarkürzungen, dann kostet das wiederum jeden
Durchschnittsverdiener in der Gesetzlichen Krankenversicherung pro
Jahr über 440 Euro mehr Beitrag.»

Am Montagabend hatten die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU),
Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) gut eineinhalb Stunden
über das weitere Vorgehen beraten. In Parteikreisen war von einem
guten und konstruktiven Gespräch die Rede. Man wolle nun zügig mit
den Verhandlungen beginnen.

Die Teams der Unterhändler von CDU und CSU wollen sich am Dienstag in
der CDU-Zentrale treffen, um ihren Kurs abzustimmen. Dagegen kommt
die SPD erst am Donnerstag zu parteiinternen Beratungen über die
anstehenden GroKo-Verhandlungen zusammen, wie die dpa am Montagabend
erfuhr.

Entschieden wandte sich Unionsfraktionschef Kauder gegen
Zugeständnisse bei der Zuwanderung. Union und SPD hätten bereits
«eine ausgewogene Lösung» für den Familiennachzug für Flüchtlin
ge
inklusive Härtefälle gefunden. «Wir werden versuchen, die SPD davon
zu überzeugen.» Während der Sondierungen hatten sich Union und SPD
darauf geeinigt, dass monatlich 1000 Menschen im Rahmen des
Familiennachzugs für subsidiär Schutzbedürftige kommen dürfen.

Die SPD pocht auf eine «weitergehenden Härtefallregelung» für den
Familiennachzug. «Das Kontingent muss größer werden», sagte SPD-Viz
e
Ralf Stegner der «Rheinischen Post» (Dienstag), «und die Regelungen
außerhalb des Kontingents müssen großzügiger gestaltet werden.» N
ach
Schätzungen gebe es aktuell etwa 60 000 Menschen, die für diesen
Familiennachzug in Frage kommen könnten.

Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sieht hingegen «keinen
Verhandlungsspielraum» beim Thema Familiennachzug. «Beim vereinbarten
Nachzug von 12 000 Menschen sind wir der SPD weit entgegengekommen,
das ist doch schon eine sehr großzügige Härtefallregelung», sagte
Schuster der «Heilbronner Stimme» (Dienstag). «Die SPD macht dies
aber nun völlig unnötig zum Symbolthema. Auf solche Zahlenspiele,
nach dem Motto darf's auch ein bisschen mehr sein, können wir uns
nicht einlassen.»