Die drei SPD-Knackpunkte - Nachbesserungen in GroKo-Verhandlungen?

Berlin (dpa) - Nur unzureichende Ergebnisse haben aus Sicht der SPD
die Sondierungen mit der Union eingebracht. «Wir wollen weitere
Fortschritte», heißt es in dem Beschluss des SPD-Parteitags. Führende

Unionsvertreter haben am Montag deutlich gemacht, dass sie an
Grundentscheidungen nicht rütteln lassen, aber über Details noch
einmal reden wollen. Hier Szenarien zu den Nachbesserungswünschen der
SPD.

SACHGRUNDLOSE BEFRISTUNG

SPD-Forderungen: Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung, die
Einschränkung der Sachgründe für Befristungen sowie die Begrenzung
von Befristungsketten.

Lage: 8,5 Prozent der abhängig Beschäftigten ab 25 waren zuletzt
befristet beschäftigt, rund 2,8 Millionen. Mehr als jeder Dritte
arbeitet unfreiwillig befristet. Die Arbeitgeber betonen: Mehr als
zwei Drittel erhielten eine Anschlussbeschäftigung. Oft
betroffen: Hilfsarbeiter, Menschen ohne Ausbildung sowie Ausländer.

Drei Arten von Befristungen ohne Sachgrund gibt es: Befristung bis zu
zwei Jahren, Befristung in den ersten vier Jahren nach Gründung eines
Unternehmens und Befristung bei über 52-jährigen zuvor Arbeitslosen.

Szenarien: Der SPD geht es vor allem darum, unbefristete Jobs für
Berufseinsteiger wieder zur Regel zu machen. Dass die so genannten
Sachgründe in großem Stil zusammengestrichen werden, erscheint aber
als wenig wahrscheinlich. Und wie es mit den sachgrundlosen
Befristungen weitergeht, ist schwer vorauszusehen. Die Wirtschaft
trommelt gegen weniger Flexibilität auf dem Jobmarkt. Der Vizechef
der CDU-Sozialausschüsse, Christian Bäumler, meint aber: «Viele
Anhänger der Unionsparteien sind für eine Einschränkung befristeter
Arbeitsverträge.» Eine von CDU-Vize Julia Klöckner ins Spiel
gebrachte Änderungen nur für den öffentlichen Dienst dürfte nur
schwer per Gesetz umsetzbar sein, denn dieses unterscheidet im
Grundsatz nicht zwischen Arten von Arbeitgebern beziehungsweise
Branchen.

ZWEI-KLASSEN-MEDIZIN

SPD-Forderung: Versorgung nach dem Bedarf der Patienten statt nach
ihrem Versicherungsstatus, eine gerechtere Honorarordnung, die
Öffnung der gesetzlichen Krankenversicherung für Beamte.

Lage: Wegen der höheren Arzthonorare für Privatpatienten bekommen
diese in der Regel bevorzugt Termine vor allem bei Fachärzten. Für
privat und gesetzlich Versicherte gelten unterschiedliche
Honorarsysteme (GOÄ beziehungsweise EBM). Besonders attraktiv sind
die Privatkassen für Beamten. Diese erhalten vom Dienstherrn 50 bis
80 Prozent der Behandlungskosten als Beihilfe. Für den Rest müssen
sie eine private Police abschließen, für sie gibt es günstige Tarife.


Szenarien: Die SPD-Bürgerversicherung mit genereller Wechseloption
von einer privaten in eine gesetzliche Kasse und gesetzlicher
Absicherung aller Neuversicherten scheiterte an der Union. Kaum
denkbar, dass sie nun durch die Hintertür kommt. Offen sind die
gesetzlichen Kassen für Beamte bereits heute, doch zahlt der
Dienstherr den Arbeitgeberanteil nicht. Für Aufsehen hat zuletzt
Hamburg gesorgt: Als erstes Land öffnet es ihren Beamten die
gesetzliche Krankenversicherung - sie sollen per pauschaler Beihilfe
den hälftigen Beitrag auch zu einer gesetzlichen Kasse bekommen. In
der Union hatte es bereits Überlegungen gegeben, etwa besonders
kinderreichen Beamten einen Zuschuss zu ermöglichen. Kompromisse sind
hier denkbar. Schwierig ist eine grundsätzliche Reform bei den
Arzthonoraren - die unterschiedlichen Systeme sind kompliziert, über
eine Reform der veralteten GOÄ verhandeln private Krankenversicherung
und Ärzteschaft seit Jahren. Für die regelmäßigen
Honorarverhandlungen von gesetzlichen Kassen und Ärzten kann der
Gesetzgeber aber Vorgaben machen, wie in der Vergangenheit, als
festgelegt wurde, dass das Honorar steigt, wenn die Bevölkerung
kränker wird. Hier könnte eine GroKo ansetzen. In Kliniken gibt es
bereits gleich hohe Pauschalen für gesetzlich und privat Versicherte,
letztere bekommen Zuschläge für Einzelzimmer und Chefarztbehandlung.

FAMILIENNACHZUG:

SPD-Forderung: Eine weitergehende Härtefallregelung für den
Familiennachzug, um Familien das Zusammenleben zu ermöglichen.

Lage: Der Nachzug von Angehörigen von Flüchtlingen mit
eingeschränktem Schutzstatus ist vom 17. März 2016 bis zum 16. März
2018 ausgesetzt worden, während die anderen anerkannten Flüchtlinge
ihre Familien weiter nachholen konnten. Die Union warnt, bis zu 300
000 Angehörige könnten ein Visum beantragen - andere Schätzungen
gehen nur von 70 000 bis 80 000 Angehörigen aus. In den ersten neun
Monaten 2017 wurde 86 121 Asylbewerbern nur subsidiärer Schutz
gewährt.

Szenarien: Laut Sondierung soll der Zuzug von Flüchtlingen die Zahl
von 180 000 bis 220 000 pro Jahr nicht überschreiten. Der
Familiennachzug soll eng begrenzt werden - auf 1000 Menschen pro
Monat. Die Union hat bereits am Freitag einen Gesetzentwurf ins
Parlament eingebracht, nach dem der Familiennachzug bis zu einer
Neuregelung ausgesetzt bleiben soll. Sachsens Ministerpräsident
Michael Kretschmer (CDU) zeigte sich im Deutschlandfunk im Detail
bereit zum Verhandeln: ««Härtefall» heißt ja wirklich in einem
ganz
engen begrenzten Maße für diejenigen, die in allergrößter Not sind,

Fälle, wo man sich vorstellen kann, dass jemand schwer erkrankt ist
oder ähnliche Sachen.» Kompromisse sind denkbar.