Lässt Muskelschwäche Senioren wacklig werden?

Langsam und ein wenig wacklig auf den Beinen - so bewegen sich viele
ältere Menschen. Warum das so ist, ist gar nicht so einfach zu
beantworten. Nun stellen US-Forscher eine Erklärung vor: Schuld ist
demnach die erschlaffende Beinmuskulatur. Eine deutsche Expertin ist
skeptisch.

Pittsburgh (dpa) - Der gezielte Aufbau der Beinmuskulatur könnte
älteren Menschen zu einem stabileren und weniger kräftezehrenden Gang
verhelfen. Das nehmen US-Forscher an, die die Gründe für den oft
unsicheren Gang von Senioren in einem Computermodell untersucht
hatten. Dies zeigte, dass das Nachlassen der Muskelstärke und die
langsamere Kontraktion der Muskelfasern für die Schwierigkeiten beim
Gehen verantwortlich sind.

Ein gezieltes Aufbautraining sei vermutlich der einzige Weg, die
Gangfähigkeit zu verbessern, was wiederum die Lebensqualität
erheblich steigern würde, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt
«The Journal of Physiology».

Die Studie sei für das Thema Verbesserung der Gangfähigkeit und damit
für die Sturzprävention bei älteren Menschen nicht wirklich
weiterführend, weil sie wesentliche Aspekte unberücksichtigt lasse,
urteilt dagegen Ellen Freiberger, Alternsforscherin am Institut für
Biomedizin des Alterns der Universität Erlangen-Nürnberg. 

Es ist lange bekannt, dass im Alter nicht nur die Geschwindigkeit
beim Gehen abnimmt, sondern auch die Gangkapazität, also die Strecke
die jemand pro aufgenommener Kalorie vorwärts kommt. Verglichen mit
Menschen um die 20 Jahre verbrauchten 70-Jährige etwa 15 bis 30
Prozent mehr Energie beim Gehen und das, obwohl sie 0,2 bis 0,6 Meter
pro Sekunde langsamer liefen, schreiben Seungmoon Song und Hartmut
Geyer von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh in ihrem
Fachartikel. Warum das so ist, sei bislang nicht geklärt.
Untersuchungen am Menschen seien schwierig, weil es im Alter zu einer
Vielzahl von körperlichen Veränderungen komme, die den Gang
beeinflussten, und einzelne Faktoren somit nur schwer zu bewerten
seien.

Die Wissenschaftler konzipierten nun ein Computermodell des
menschlichen Gangs, das zunächst den Gang eines jungen, gesunden
Menschen simulierte. Das Modell berücksichtigte zahlreiche Faktoren,
die den Gang beeinflussen und die sich mit zunehmendem Altern
verändern, etwa am Skelett, den Muskeln und am Nervensystem. Dann
variierten sie die unterschiedlichen Einflussfaktoren, um
herauszubekommen, welche Veränderungen den Gang eines älteren
Menschen hervorriefen.

Das Ergebnis: Nur das Altern der Muskeln - also der Verlust an
Muskelstärke und -masse sowie die langsamere Kontraktion der Muskeln
- führte die für viele ältere Menschen typischen Gangunsicherheiten
herbei. Es sei bereits gezeigt worden, dass solche Veränderungen
durch körperliches Training umkehrbar seien. Welches Training die
besten Ergebnisse erziele, sei aber noch unklar.

«Mit ihrer Konzentration auf physiologische Prozesse greifen die
Forscher meiner Ansicht nach zu kurz», sagt Freiberger. «Wir wissen,
dass viele Faktoren die Funktion des Gehens beeinflussen. Ältere
Menschen gehen zum Beispiel nicht mehr automatisch, sondern brauchen
kognitive Ressourcen beim Gehen, sie müssen sozusagen über das Gehen
nachdenken.» Hinzu käme die Angst vor Stürzen, Veränderungen der
Muskulatur und Probleme mit dem Gleichgewicht. «Es gibt zahlreiche
Studien die zeigen, dass Kraftaufbau allein nicht die gewünschten
Effekte bringt, um die Gangsicherheit zu erhöhen.»

Ein sicherer Gang sei aber mit eine Voraussetzung zur
Sturzprävention, die wiederum wesentlich sei, um die Gesundheit und
Mobilität älterer Menschen zu erhalten, betont die Expertin. Stürze
seien im Alter häufig: Etwa 30 Prozent aller Menschen über 65 Jahren
stürzten einmal im Jahr, bei den über 80-Jährigen seien es schon 50
Prozent. Viele davon stürzten mehrmals. Zur Vorbeugung empfehlen
Fachleute ein Kombinationstraining, das die Verbesserung des
Gleichgewichts und des Ganges sowie eine Kräftigung der Muskulatur
zum Ziel hat.