Breiter SPD-Appell: Ja zu GroKo-Verhandlungen

Es könnte eng werden: Lässt der SPD-Sonderparteitag die GroKo
durchfallen? Bisher waren die Gegner stark zu vernehmen, nun machen
Befürworter von Verhandlungen mit einem Appell mobil. Darunter
frühere Juso-Vorsitzende und ein SPD-Chef.

Berlin (dpa) - Angesichts des ungewissen Ausgangs der Abstimmung
über Koalitionsverhandlungen mit der Union werben rund 40
SPD-Politiker aller Flügel für die Aufnahme solcher Gespräche - «a
us
Verantwortung für Deutschland, Europa und die SPD». Der Aufruf, der
der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, wird getragen
von Sozialdemokraten aller Regionen und Strömungen aus Bund und
Ländern. Auch die ehemaligen Juso-Vorsitzenden Niels Annen und Björ
n
Böhning beteiligen sich daran.

Die SPD-Nachwuchsorganisation führt mit ihrem Vorsitzenden Kevin
Kühnert den Widerstand gegen die Aufnahme von Verhandlungen mit
CDU/CSU an. Die Jusos fürchten nach dem desaströsen
Bundestagswahlergebnis eine Verwässerung des Profils der Partei und
einen weiteren Niedergang durch eine Neuauflage der großen Koalition.

Nachdem zuletzt vor allem die Kritiker in der Partei zu vernehmen
waren, ist der Aufruf ein Versuch, das Lager der Befürworter von
Verhandlungen stärker zur Geltung zu bringen und Unentschlossene
unter den 600 Delegierten beim Parteitag am Sonntag in Bonn zu
überzeugen. Zuletzt hatten auch zahlreiche SPD-Oberbürgermeister für

die Verhandlungen geworben.

Zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehören auch Ex-SPD-Chef Matthias
Platzeck, die frühere Bundespräsidentschaftskandidatin Gesine Schwan
und mehrere Landesminister. «Die SPD hat gerade in ihrem zentralen
Kompetenzfeld der sozialen Gerechtigkeit Einiges erreichen können»,
wird zum Beispiel mit Blick auf die geplante Stabilisierung des
Rentenniveaus, die bessere Förderung von Langzeitarbeitslosen und die
Entlastung der Bürger bei den Ausgaben für die Krankenversicherung
betont. 

Zudem gehe es um die Zukunft Europas, es gebe die Chance, einen
echten Richtungswechsel einzuleiten «weg von der einseitigen
Sparpolitik hin zu mehr Wachstum, gemeinsamer sozialer Sicherung und
einem Europa der Solidarität.» Man müsse den Verhandlungen eine fai
re
Chance geben, diese könnten weitere Verbesserungen bringen. Daher
sollten am Ende alle rund 440 000 SPD-Mitglieder über das endgültige
Verhandlungsergebnis gemeinsam entscheiden können. Die SPD plant nach
möglichen Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU wie schon 2013
einen Mitgliederentscheid. Erklärtes Ziel ist es, dass spätestens bis
Ostern eine neue Bundesregierung steht. 

Parallel gelte es den Erneuerungsprozess voranzutreiben. «Die SPD
braucht ein Projekt 2030.» Daran zu arbeiten stehe nicht in
Widerspruch zu einer Regierungsbeteiligung, betonen die Verfasser des
Appells. «Im Gegenteil: Neues Vertrauen erwächst aus
Selbstbewusstsein und konkretem Handeln in Verantwortung für die
Menschen in Deutschland und Europa.» Klar müsse aber auch sein, dass
mit einem Bundestagswahlergebnis von 20,5 Prozent die Möglichkeiten
begrenzt seien. Viele Ziele seien nur dann umzusetzen, wenn die
Partei wieder mindestens 30 Prozent der Stimmen bekomme und
möglichst stärkste Fraktion im Deutschen Bundestag sei.