Herzleiden als größter Killer Von Ulrike von Leszczynski, dpa

Rauchen, zu wenig Sport und Übergewicht: An vielen Herzkrankheiten
tragen Patienten eine Mitschuld. Im neuen Herzbericht steckt aber
noch mehr: Auch das Thema Bildung und die Ärztedichte in einer Region
können Einfluss haben.

Berlin (dpa) - Herzkrankheiten bleiben in Deutschland der Killer
Nummer eins. «Allein eine von drei Frauen stirbt am Herzen», sagte
Hugo Katus, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, bei
der Vorstellung des neuen Herzberichts am Mittwoch in Berlin. Männer
erkrankten rund zehn Jahre früher als Frauen. Bessere Therapien, mehr
Prävention und weniger Raucher haben die Todesfallzahlen seit 1990 um
rund die Hälfte (46 Prozent) sinken lassen - ein sehr beachtliches
Ergebnis. Doch nun verharren die jüngsten Zahlen mit rund 270
Gestorbenen pro 100 000 Einwohner auf einem Plateau mit nur noch
leichten Schwankungen.

Ein Hauptgrund dafür ist: Es werden kaum noch deutlich bessere
Therapien entwickelt als es sie heute gibt. Beispiel dafür ist die
Herzchirurgie für die rund 6500 Babys, die zur Zeit pro Jahr mit
einem angeborenen Herzfehler zur Welt kommen: 95 Prozent dieser
Kinder überleben, allein das ist ein Viertel mehr als 1990. Dennoch
bleiben mit Blick aufs Herz Unterschiede - vom Bildungsgrad der
Patienten, über Männer und Frauen bis hin zu den Bundesländern. Ein
Überblick:

DIE ZAHLEN: Der Herzbericht analysiert jedes Jahr die Häufigkeit von
Erkrankungen und Todesfällen mit Blick auf ausgewählte
Herzkrankheiten. Bei den Gestorbenen pro 100 000 Einwohner stiegen
die Zahlen zwischen 2014 und 2015 von 256 auf rund 270. Der Anstieg
muss aber nicht gleichbedeutend mit mehr Herztoten sein. «Es gibt
mehr spezifische Diagnosen auf Totenscheinen», sagt Thomas Meinertz,
Vorstandschef der Deutschen Herzstiftung. Auch das könne den Zuwachs
erklären.

HÄUFIGE HERZKRANKHEITEN: Dazu zählt die koronare Herzkrankheit, bei
der es durch Verengung der Kranzgefäße zu einer mangelnden
Durchblutung des Herzens kommt. Im schlimmsten Fall führt sie zum
Herzinfarkt. Auf dem zweiten Platz folgt die Herzschwäche, die oft
eine Folge anderer Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie
Bluthochdruck, Klappenerkrankungen, Rhythmusstörungen oder
Herzinfarkt ist. An einem akuten Herzinfarkt sind 2015 - auch dank
besserer Versorgung - rund sieben Prozent Bundesbürger weniger
gestorben als im Vorjahr. Bei Herzklappenleiden registrierten Ärzte
dagegen ein Plus von 4,2 Prozent, bei Herzrhythmusstörungen von 2,6
Prozent und bei Herzschwäche von 2,5 Prozent. Maßstab für die
Berechnungen ist die Anzahl stationärer Behandlungen.

BUNDESLÄNDER: Nach wie vor gibt es bei Herzkrankheiten ein
auffälliges Gefälle zwischen den Bundesländern. Mit Blick auf die
Sterbeziffern (Tote pro Hunderttausend Einwohner), aus denen der
Faktor Lebensalter bewusst herausgerechnet wurde, zeigen mit Blick
auf den Bundesschnitt Sachsen-Anhalt (plus 28,5 Prozent), Thüringen
(plus 16,3 Prozent), Bremen (plus 15,4) und Mecklenburg-Vorpommern
(plus 14,8 Prozent) die negativsten Werte. Sehr positiv entwickelten
sich Berlin (minus 24,2 Prozent), Hamburg (minus 16,4 Prozent) und
Baden-Württemberg (minus 10,8 Prozent). «Kritisch sehen wir, dass die
Bundesländer mit der geringsten Kardiologendichte zugleich gegen eine
überdurchschnittlich hohe Infarktsterblichkeit ankämpfen», sagt
Thomas Meinertz. An der Spitze liege dabei Sachsen-Anhalt.

FAKTOR BILDUNG: «Je höher der Bildungsstand, desto gesünder
verhalten sich die Menschen: Sie rauchen weniger, sind sportlich
aktiver und essen mehr Obst und Gemüse», bilanziert Hannelore
Neuhauser vom Robert Koch-Institut. Zweieinhalb Stunden Ausdauersport
pro Woche empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Dieses
Pensum schaffen in Deutschland aber weniger als die Hälfte der Männer
(48 Prozent) und Frauen (43 Prozent). Rund die Hälfte der Befragten
gibt darüber hinaus an, bei der Arbeit vorwiegend zu sitzen oder zu
stehen - ohne Bewegung. Während Bundesbürger mit höherem
Bildungsniveau in den vergangenen Jahren sportlich aktiver wurden,
habe sich bei Menschen mit niedrigerem Bildungsstand nichts
verändert, heißt es im Bericht.

FRAUEN UND MÄNNER: Wie in den Vorjahren treffen Herzkrankheiten
häufiger Frauen. Die Sterbeziffern bei Herzrhythmusstörungen und
Herzschwäche lagen 2015 für Frauen um 51 und 64 Prozent über dem Wert

der Männer. Mögliche Gründe sind Besonderheiten etwa bei der Wirkung

von Herzmedikamenten, anatomische Unterschiede bei Herz und Gefäßen
sowie unterschiedliche Vorboten und Symptome von Herzkrankheiten. Ein
Ausreißer ist der Herzinfarkt. Daran sterben nach wie vor mehr
Männer.

RISIKOFAKTOREN: Ein großer Teil der Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat
mit dem eigenen Verhalten zu tun: Bewegungsmangel, Rauchen und
Übergewicht als Folge ungesunder Ernährung. Dadurch können zum
Beispiel Bluthochdruck und Diabetes entstehen. Die beste Vorsorge ist
deshalb eine Änderung des Lebensstils. «Das klappt aber nur, wenn
Vorbeugung nicht ausschließlich als Aufgabe der Ärzte verstanden
wird», betont Andreas Stang, Leiter des Zentrums für Klinische
Epidemiologie am Uniklinikum Essen. Gefragt sei hier die ganze
Gesellschaft.