US-Experten warnen vor Opioid-Mix in der Todesspritze Von Andrea Barthélémy, dpa

Eigentlich haben die USA der tödlichen Droge Fentanyl den Kampf
angesagt. Doch manche Bundesstaaten wollen sie nun nutzen: Bei
Hinrichtungen.

Washington (dpa) - US-Staaten, in denen es die Todesstrafe gibt,
haben seit Jahren ein Problem: Die Medikamente zur Vollstreckung des
Urteils gehen ihnen aus. Der Grund: Pharmahersteller wollen nicht
mehr, dass mit ihren Mitteln getötet wird - und liefern nicht.

Die Bundesstaaten Nevada und Nebraska haben nun eine neue Idee: Sie
wollen künftig einen Opioid-Mix für die Todesspritze nutzen. Kritiker
und Ärzte argumentieren dagegen, zwei Exekutionen wurden von
Gerichten erstmal verschoben. Und erneut steht die Frage im Raum:
Gibt es einen humanen Weg zu töten?

«Es ist eine grausame Ironie, dass die Regierungen dieser
Bundesstaaten zur selben Zeit verhindern wollen, dass dermaßen viele
Menschen durch Opioide sterben, und nun zu ihnen greifen, um andere
umzubringen», beklagt Rechts-Professor Austin Sarat vom Amherst
College in einem Bericht der «Washington Post». Derzeit grassiert in
den USA eine verheerende Opioid-Epidemie, die jährlich Zehntausenden
Menschen das Leben kostet.

In den 31 US-Bundesstaaten mit Todesstrafe ist die Todesspritze seit
Jahrzehnten die Exekutions-Methode der Wahl. Ebenso bei
Todesurteilen, die im Namen der US-Regierung vollstreckt werden. Bei
den insgesamt 1465 Hinrichtungen seit 1976, die das
Informationszentrum zur Todesstrafe US-weit auflistet, starben 1290
Menschen durch Giftspritzen. Lange Zeit wurden dabei jedem
Todeskandidaten drei Medikamente injiziert: Ein Narkosemittel, ein
Muskel-lähmendes Präparat und eines, das zum Herzstillstand führt.


Doch die Todesstrafe ist in den USA zunehmend umstritten. 19
US-Staaten haben sie komplett abgeschafft, andere setzen sie seit
Jahren aus. Und seit 2010 verschärft sich die Diskussion durch die
zunehmende Medikamenten-Knappheit. Denn die Suche nach Alternativen,
eine davon ist das Betäubungsmittel Midazolam, endete nicht selten in
grausamen, langen Todeskämpfen. Und selbst die Midazolam-Bestände
gehen nun zur Neige.

In Nebraska und Nevada will man deshalb künftig auf Fentanyl setzen.
Das als starkes Schmerz- und Narkosemittel verbreitete synthetische
Opioid wirkt 120 mal so stark wie Morphium - und ist in großen Mengen
tödlich. Fentanyl ist im Übermaß vorhanden. «Wir haben es einfach
über unseren Pharma-Großhandel bestellt, wie jedes andere Medikament,
das wir brauchen, und es wurde geliefert», schrieb eine Sprecherin
der Justizvollzugsbehörde Nevadas der «Washington Post» in einer
Email.

Doch Kritiker werfen ein, dass auch eine solche Hinrichtung mit
Qualen verbunden sein könnte. Der 47-jährige Scott Dozier, der schon
im November als erster mit dieser Methode hingerichtet werden sollte,
sollte zunächst Valium, dann Fentanyl und schließlich ein
Muskel-lähmendes Medikament erhalten. Doch ein Gericht stoppte seine
Hinrichtung.

«Wenn die ersten beiden Mittel nicht wirken wie geplant oder wenn sie
falsch gespritzt werden, was schon in so vielen Fällen passiert ist,
dann ist man wach und bei Bewusstsein, versucht verzweifelt zu atmen,
ist aber vollkommen unfähig, sich zu bewegen», sagt Mark Heath,
Anästhesist der Columbia University. Beobachter würden von diesem
Todeskampf noch nicht einmal etwas mitbekommen.

Ähnliche Befürchtungen gibt es für die geplante und ebenfalls
verschobene Hinrichtung von Jose Sandoval in Nebraska. Ihm soll als
zusätzliches viertes Präparat ein Mittel zum Herzstillstand
verabreicht werden (Kaliumchlorid), das auch zu inneren Verbrennungen
führt.

«Es gibt hier keinerlei medizinische oder wissenschaftliche Basis. Es
ist nur eine Serie von Versuchen: Besorg Medikamente, teste sie an
Gefangenen und schau, ob und wie sie sterben», kritisiert der
Anästhesist Joel Zivot (Emory University).

Wegen derartiger Komplikationen schaffen einige US-Bundesstaaten
bereits wieder rechtliche Grundlagen für andere Methoden der
Hinrichtung, etwa den Einsatz von Stickstoff als tödlichem Gas. Oder
Erschießungen.

Auch die Juristin Deborah Denno (Fordham University), die sich seit
mehr als zwei Jahrzehnten mit der Todesstrafe befasst, hält das
Erschießen letztlich für die Methode, bei der es die wenigsten
grausamen Zwischenfälle gibt. Der Grund, warum dennoch nach
chemischen Alternativen Ausschau gehalten werde, sei, dass es nicht
wirklich um den Gefangenen gehe, sagt Denno. «Es geht ihnen um die
Leute, die dabei zuschauen. Wir wollen nicht, dass Exekutionen
aussehen wie das, was sie tatsächlich sind: Jemand anderen zu töten.»