Durchbruch bei Sondierung für Große Koalition - Keine Steuererhöhung Von Jörg Blank, Christiane Jacke, Marco Hadem und Ruppert Mayr, dpa

Durchbruch im Morgengrauen: Die drei Parteichefs Merkel, Schulz und
Seehofer wollen eine erneute große Koalition. Doch das ist erst der
erste Schritt. Scheitern im weiteren Verlauf nicht ausgeschlossen.

Berlin (dpa) - Die Spitzen von CDU, CSU und SPD streben eine
Neuauflage der großen Koalition an. Nach mehr als 24-stündigen
Sondierungen einigten sich die drei Vorsitzenden, Angela Merkel
(CDU), Horst Seehofer (CSU) und vor allem Martin Schulz (SPD),
darauf, ihren Parteien die Aufnahme von offiziellen
Koalitionsverhandlungen zu empfehlen, wie am Freitagmorgen in Berlin
aus Teilnehmerkreisen zu erfahren war. Allerdings muss die
SPD-Sondierungsgruppe dem Ergebnis der Spitzen noch zustimmen. Tut
sie das, müsste auch ein SPD-Parteitag in der kommenden Woche noch Ja
sagen.

Wie aus einem vorläufigen Sondierungspapier hervorgeht, das die
Unionsseite einstimmig annahm, haben sich die Spitzen der drei
Parteien auf eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der
gesetzlichen Krankenversicherung geeinigt. Demnach sollen die
Beiträge wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern
bezahlt werden. Zur Zeit werden 14,6 Prozent je zur Hälfte gezahlt,
den Rest, der im Schnitt bei einem Prozentpunkt liegt, bezahlen die
Arbeitnehmer alleine.

Die von der SPD geforderten Anhebung des Spitzensteuersatzes soll
nicht kommen. Nach Unions-Angaben soll es keine Steuererhöhungen
geben. Das Rentenniveau soll bis 2025 bei 48 Prozent gehalten werden,
das ist ein Wunsch der SPD gewesen.

Dem Vernehmen nach wurde viele Stunden um die Finanzierung
verschiedener kostspieliger Projekte in der Steuer-, Sozial- und
Gesundheitspolitik gerungen. Obwohl die Wünsche der drei Parteien
insgesamt an die 100 Milliarden Euro teuer geworden wären, solle
jetzt der finanzielle Spielraum von bis zu 45 Milliarden Euro
eingehalten werden, hieß es. Die Union pochte dem Vernehmen nach
angesichts der sprudelnden Steuereinnahmen auf die «schwarze Null» -
also den Verzicht auf neue Schulden im Bundeshaushalt.

Der Solidaritätszuschlag soll dem Vernehmen nach in dieser
Legislaturperiode um 10 Milliarden Euro abgebaut werden. Das solle
kleine und mittlere Einkommen betreffen. Das Kindergeld soll in zwei
Schritten um 25 Euro erhöht werden. Die Zuwanderung von Flüchtlingen
solle in einer Spanne von 180 000 bis 220 000 begrenzt werden.

Auch der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem
Schutzstatus soll sehr eng begrenzt werden. Er soll zunächst weiter
ausgesetzt bleiben, bis eine Neuregelung gefunden ist, und dann auf
1000 Menschen pro Monat begrenzt werden, wie aus Verhandlungskreisen
zu erfahren war.

Das vorläufige Sondierungspapier hat einen Umfang von 28 Seiten. In
Berlin berieten am Morgen zunächst die jeweiligen Sondierungsgruppen
über dessen Annahme. Anschließend sollte die große Gruppe der rund 40

Sondierer erneut zusammenkommen. Offen war zunächst, mit welcher
Formulierung Schulz den Gremien seiner Partei die Aufnahme
offizieller Koalitionsverhandlungen mit der Union vorschlagen wird.

Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl dürfte die Hürde für die
SPD-Spitze besonders hoch sein. Sie braucht für
Koalitionsverhandlungen die Zustimmung eines Parteitags am 21. Januar
in Bonn. Die SPD-Spitzen, voran Schulz, wollen in den nächsten Tagen
bei der Parteibasis für eine Neuauflage der ungeliebten großen
Koalition werben. Die Jusos wollen dagegen Widerstand mobilisieren.
Auch Juso-Chef Kevin Kühnert tourt deswegen durch mehrere
SPD-Landesverbände, wie er der dpa sagte.

Bis zum Schluss rangen die Sondierer dem Vernehmen nach um die
künftige Finanzpolitik sowie um den Bereich Migration und
Flüchtlinge. Aber auch bei Themen wie Rente und Gesundheit hakte es
lange Zeit. Ein Scheitern der Sondierungen war bis zuletzt nicht
ausgeschlossen worden, ebenso eine Vertagung.