Krankenkassen pochen auf Gesamtkonzept für Pflege im Krankenhaus

Deutschlands Krankenhäusern fehlen viele tausend Schwestern und
Pfleger. Unmittelbar vor dem Ende der schwarz-roten Sondierung melden
sich die Krankenkassen zu Wort - mit einer Warnung vor einem aus
ihrer Sicht falschen Rezept gegen den Pflegenotstand.

Berlin (dpa) - Die Krankenkassen pochen bei Union und SPD kurz vor
dem erwarteten Ende ihrer Sondierung auf ein Gesamtkonzept für
bessere Pflege am Krankenbett. Sie warnten davor, dass eine neue
große Koalition «immer mehr Geld mit der Gießkanne an alle
Krankenhäuser» ausschüttet, wie der Vize-Chef des Spitzenverbands der

gesetzlichen Krankenversicherung, Johann-Magnus von Stackelberg, der
Deutschen Presse-Agentur sagte.

«Wer meint, mit zusätzlichem Geld für eine angeblich nicht
finanzierte Tarifsteigerung Personalprobleme bei der Pflege im
Krankenhaus zu lösen, der irrt», sagte Stackelberg. CDU und CSU
wollen, dass die Lohnsteigerungen in den Krankenhäusern von den
Krankenkassen voll bezahlt werden. Gesundheitsminister Hermann Gröhe
(CDU) hatte im Dezember der «Rheinischen Post» gesagt,
Tariferhöhungen für Pflegekräfte im Krankenhaus müssten künftig
vollständig von den Kassen bezahlt werden.

Stackelberg hielt dem entgegen: «Die gesetzliche Krankenversicherung
bezahlt den Krankenhäusern für ihre laufenden Kosten schon heute
mehr, als für den kompletten Ausgleich der Tarifsteigerungen
notwendig wäre.»

Eine bessere Pflege am Krankenbett wollten auch die Kassen. «Wer
tatsächlich etwas für Pflegekräfte im Krankenhaus tun will, muss
innerhalb eines Gesamtkonzepts zusätzliches Geld an zielgerichtete
Maßnahmen binden, wie beispielsweise konkrete Personaluntergrenzen»,
forderte Stackelberg. «So ließe sich verhindern, dass nachts keine
Krankenschwester mehr alleine auf einer Station Dienst tun muss.»
Weitere Gelder für einen angeblich notwendigen Ausgleich der Kosten
von Tarifsteigerungen seien eine schöne Illusion der Klinikträger.
Die realen Probleme von Pflegekräften würden so nicht gelöst.

Gröhe hatte hingegen argumentiert: «Wenn Kliniken Lohnerhöhungen fü
r
Pflegekräfte durch Personalabbau an anderer Stelle finanzieren und
damit die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte verschlechtern, hilft
das niemandem.»

Im Auftrag der Politik sollen Kassen und Krankenhausgesellschaft DKG
bis zum Sommer Untergrenzen fürs Personal zum Beispiel für die Pflege
in Intensivstationen oder den Nachtdienst festlegen.
DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum forderte nun, diesen Weg nicht
weiter auszubauen. Eine Ausweitung nicht realisierbarer Untergrenzen
dürfe es nicht geben, sagte Baum der «Ärzte Zeitung». Hauptproblem

seien vielmehr Personalkosten - und nicht ausfinanzierte
Tarifsteigerungen. Derzeit seien zwischen 10 000 und 15 000
Pflegestellen in den Krankenhäusern nicht besetzt.

Grundsätzlich bezahlen die Kassen die Behandlungen, also insgesamt
die laufenden Betriebskosten - die Bundesländer sind verantwortlich
für Gebäude und Geräte. Die Politik hatte die Kassen verpflichtet,
Tarifsteigerungen teils zu bezahlen. Auch wenn dieser Posten die
Lohnerhöhungen nicht voll abdeckt, zahlen die Kassen aus ihrer Sicht
unterm Strich immer mehr für den laufenden Klinikbetrieb. So werden
laut Krankenkassen bereits seit Jahren die einzelnen Klinikleistungen
überbezahlt - und das in steigendem Maß. Zugleich beklagen die Kassen
seit Langem, dass die Länder zu wenig für die Modernisierung von
Kliniken bezahlen und dies deshalb mit Mitteln für den
Krankenhausbetrieb quersubventioniert wird.