Videochat statt Wartezimmer Von Sandra Trauner, dpa
Technisch möglich sind Videosprechstunden beim Arzt schon länger,
seit Mitte des Jahres übernehmen die Kassen auch die Kosten. Wieso
wird dieser Service trotzdem so selten angeboten? Die
Verbraucherzentrale hat einen Verdacht.
Frankfurt/Main (dpa) - Ein Vorgespräch, welcher Facharzt der richtige
ist, oder nur kurz kontrollieren, wie die Wunde heilt. Wäre es nicht
praktisch, wenn sich das per Videotelefonat erledigen ließe? Für
Ärzte, Krankenkassen und viele Patienten wohl schon. Doch obwohl
Videosprechstunden technisch und rechtlich möglich sind, wird das
Angebot bisher kaum genutzt. Am Beispiel Hessen lassen sich die
Probleme zeigen.
«Das wird in Zukunft hoffentlich mehr», wünscht sich Pavel Khaykin.
Der Frankfurter Internist findet Video-Sprechstunden «auf jeden Fall
sinnvoll». Seit Anfang August bietet er diesen Service an - «aber
bisher gab es noch keine einzige Anfrage». Khaykin und eine Hand voll
weitere Mediziner verschiedener Fachrichtungen in Hessen bieten ihre
Videosprechstunden über eigene Online-Portale an. Es gehe um sensible
Daten, daher könne man nicht einfach Programme wie Skype oder
Facetime verwenden, erklärt Dr. Khaykin.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband
der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) hatten sich schon 2016 über die
technischen Anforderungen für Praxen und Videodienstleister geeinigt.
So müssen Ärzte vor der Videosprechstunde eine schriftliche
Einwilligung einholen, das Gespräch darf nicht aufgezeichnet werden
und die Übertragung muss speziell verschlüsselt sein.
KBV-Sprecher Roland Stahl sagte der dpa, es gebe noch keine Zahlen,
wie viele Ärzte die Videosprechstunde anwendeten. Man sei am Anfang.
Es werde sich noch weiter verbreiten. Aber: «Die Videosprechstunde
ist nicht das digitale Allheilmittel.» Es könne, insbesondere im
ländlichen Raum unterstützend eingesetzt werden. Und er fügte hinzu:
«Die Ärzte blockieren nicht.»
Seit Mitte dieses Jahres übernehmen die Krankenkassen die Kosten für
Videosprechstunden. Wie oft Ärzte und Patienten das seither genutzt
haben, weiß aber derzeit niemand - bei der Kassenärztlichen
Vereinigung Hessen wurde das dritte Quartal noch nicht ausgewertet.
KV-Sprecher Karl Matthias Roth geht davon aus, dass es nicht allzu
viele sein werden. Videosprechstunden seien «eine sinnvolle
Ergänzung», sagt er, aber «keine Lösung für den Ärztemangel auf
dem
Land».
Auch die Landesärztekammer Hessen findet Videosprechstunden gut,
betont aber auch die Grenzen: «Videosprechstunden können unter
anderem bei der Überwachung chronisch Kranker, bei Wundkontrollen
oder Ersteinschätzung sinnvoll sein», sagt Ärztekammer-Präsident
Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach. Der Einsatz von Elektronik stehe
durchaus «im Einklang mit der ärztlichen Berufsordnung».
Patienten ausschließlich aus der Ferne zu behandeln, sei dagegen laut
Berufsordnung nicht erlaubt, betont die Kammer. «Wenn ein Arzt seine
Patienten dagegen kennt und sie etwa bei leichten Erkrankungen oder
Routinefällen telemedizinisch behandelt, dann sind die bequemen,
schnellen und effizienten Informations- und Kommunikationsprozesse
ausdrücklich zu begrüßen.» Auch der Ärztepräsident geht davon a
us,
«dass diese Angebote weiter zunehmen».
Woran es liegen könnte, dass das bisher nicht der Fall ist - Susanne
Mauersberg vom Verbraucherzentrale Bundesverband hat die Mediziner im
Verdacht. «Die Ärzte setzen das nur zäh um», sagt die
Gesundheitsexpertin. «Dabei ist das eine sehr innovative, sehr
wichtige Geschichte.» Die Verbraucherzentrale ermutigt Patienten,
gezielt nachzufragen «und dabei dem Arzt gegenüber offensiver
aufzutreten».
Der Wunsch der Patienten ist jedenfalls da, wie eine Studie der
Bertelsmann-Stiftung zeigt. Laut einer repräsentativen Befragung von
2015 wollten 45 Prozent eine Video-Sprechstunde bei ihrem Haus- oder
Facharzt zumindest gelegentlich nutzen. Die Autoren der Studie sehen
auch keinen Qualitätsverlust: «Video-Konsultationen sind bei vielen
Indikationen und Anlässen genauso gut wie ein Praxisbesuch.»