Kompromisssignale in letzter Jamaika-Sondierungswoche

Vier Tage noch - schaffen sie das? Bis Donnerstag wollen die
schwarz-gelb-grünen Koalitionsunterhändler mit ihren Sondierungen
fertig werden. Die Skepsis war groß, aber es gibt Anlass zur
Zuversicht.

Berlin (dpa) - Die voraussichtlich letzte Jamaika-Sondierungswoche
beginnen die Koalitionsunterhändler mit Kompromisssignalen. Die
Arbeitsgruppe «Innen, Sicherheit, Rechtsstaat» einigte sich darauf,
das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum (GTAZ) von Bund und Ländern zu
reformieren. Und in der CDU-Delegation zeigt man sich bereit,
beim Familiennachzug von Flüchtlingen auf die Grünen zuzugehen. CDU,

CSU, FDP und Grünen bleiben mit den an diesem Montag anstehenden
Gesprächen in kleiner Runde nur noch vier Tage, um ihre Sondierungen
wie angekündigt am Donnerstag abzuschließen. Danach wollen sie über
die Aufnahme förmlicher Koalitionsverhandlungen entscheiden.

Der Auftakt der dritten Sondierungsphase mit der Runde der
Chefunterhändler war am Sonntagabend nach sieben Stunden zu Ende
gegangen, ohne dass konkrete Ergebnisse bekanntwurden. Das Klima
wurde danach aber als gut beschrieben. CSU-Chef Horst Seehofer sagte:
«Alles im Plan.»

Zum Terrorabwehrzentrum GTAZ heißt es im Sondierungspapier der
Expertengruppe, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt: «Die
gemeinsamen Zentren von Bund und Ländern sollen nicht nur dem
Austausch von Informationen dienen, sondern - rechtlich sauber
geregelt - verbindliche Absprachen gewährleisten.»

Einig sind sich die Jamaika-Unterhändler demnach auch über eine
stärkere Koordinierungsfunktion des Bundeskriminalamts und des
Bundesverfassungsschutzes bei der Terrorabwehr. Das Vorhaben ist auch
eine Konsequenz aus dem Berliner Weihnachtsmarkt-Anschlag vor knapp
einem Jahr mit zwölf Toten. Der Attentäter Anis Amri war als
islamistischer Gefährder bekannt, dennoch wurde seine Terrortat nicht
verhindert.

Uneinig sind die Jamaika-Unterhändler dagegen bei der Kontrolle der
Geheimdienste. FDP und Grüne wollen sie deutlich mehr stärken als die
Union.

Zum Thema Familiennachzug sagte der CDU-Unterhändler Jens Spahn dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag): «Wer legal ins Land kommt,
sich anpasst, Deutsch lernt, Arbeit hat und so beweist, dass er Teil
dieser Gesellschaft sein will, soll auch dauerhaft bleiben dürfen und
erleichtert die Möglichkeit zum Familiennachzug erhalten.» Das Thema
ist ein Knackpunkt der Gespräche. Der Familiennachzug ist für
Flüchtlinge mit beschränktem (subsidiärem) Schutzstatus bis März 20
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unterbunden - die Grünen wollen ihn wieder ermöglichen, die Union
bremst bisher.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, der für die CSU mit
verhandelt, verlangte eine starke Beschränkung des Familiennachzugs.
Für ein Einwanderungsgesetz zeigte er sich in der «Passauer Neuen
Presse» (Montag) unter Bedingungen offen: «Wir können uns auf ein
Einwanderungsgesetz verständigen mit festen Quoten für
legale Einwanderung. Illegale Einwanderung darf es in Zukunft nicht
mehr geben.»

Vor dem Treffen am Sonntagabend hatten besonders FDP und Grüne mehr
Bewegung in den Gesprächen verlangt und darauf verwiesen, dass sie in
Vorleistung gegangen seien. Die CDU-Vorsitzende, Kanzlerin Angela
Merkel, betonte die Möglichkeit von Kompromissen: «Es wird ein noch
durchaus großes Stück Arbeit. Aber aus meiner Sicht kann bei gutem
Willen auch eine Lösung erzielt werden.»

Die FDP will eine Senkung der Sozialbeiträge um bis zu 0,7
Prozentpunkte durchsetzen. Bürger und Unternehmen könnten so «um bis

zu zwölf Milliarden Euro über Beitragssenkungen entlastet werden»,
sagte ihrer Mit-Unterhändler, Fraktionsvizechef Michael Theurer, der
«Bild»-Zeitung (Montag). Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung
könnten um 0,5 Punkte, die für Kranken- und Pflegekassen um je 0,1
Punkte gesenkt werden.

Ein weiteres FDP-Ziel ist eine Flexibilisierung des
Arbeitszeitgesetzes, wie Theurer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe
sagte. Es sollte an die EU-Arbeitszeitrichtlinie angepasst werden.
Diese sieht statt einer täglichen Höchstarbeitszeit von acht Stunden
eine wöchentliche Maximaldauer von 48 Stunden vor - acht Stunden mehr
als jetzt, allerdings einschließlich Überstunden.

In der Schlussrunde versuchen die Chef-Unterhändler von diesem Montag
(11.00 Uhr) an, in jeweils einstündigen Beratungen Kompromisse zu den
einzelnen Themenblöcken zu finden. Merkel, Seehofer, FDP-Chef
Christian Lindner, sein Vize Wolfgang Kubicki sowie das
Grünen-Spitzenduo Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir sondieren
zusammen mit den jeweils zuständigen Berichterstattern der Parteien.