Staatsanwaltschaft: Patientenmörder für rund 100 Tote verantwortlich

Schon seit längerem sitzt der ehemalige Krankenpfleger Niels H. im
Gefängnis. Er spritzte tödliche Medikamente. Das Ausmaß ist
erschreckend. Die Ermittler rechnen ihm rund 100 Todesopfer zu.

Oldenburg (dpa) - Der bereits verurteilte Patientenmörder Niels H.
ist nach Abschluss aller toxikologischen Untersuchungen für rund 100
Todesopfer an den Kliniken Delmenhorst und Oldenburg verantwortlich.
Dies teilte die Staatsanwaltschaft Oldenburg am Donnerstag mit.

Den Untersuchungen zufolge können ihm 62 Sterbefälle in Delmenhorst
und 38 Fälle in Oldenburg zugerechnet werden. In fünf der Oldenburger
Fälle müssten allerdings noch weitere Untersuchungen erfolgen.

Niels H. ist bereits wegen sechs Taten zu lebenslanger Haft
verurteilt worden, unter anderem wegen zwei Morden. Die
Staatsanwaltschaft will wegen der neuen Fälle voraussichtlich Anfang
kommenden Jahres Anklage erheben.

Niels H. hatte gestanden, Patienten eine Überdosis von Medikamenten
gespritzt zu haben, um sie anschließend wiederbeleben zu können.
Damit wollte er sich vor Kollegen als heldenhafter Retter beweisen.
Mehr als 130 frühere Patienten der beiden Kliniken ließ die eigens
dafür eingerichtete Sonderkommission der Polizei in den vergangenen
drei Jahren ausgraben und auf Rückstände von Medikamenten testen.

Fest steht nach Ansicht der Ermittler, dass ein großer Teil der Morde
hätte verhindert werden können. Schon am Klinikum Oldenburg gab es
eine Statistik, die zeigte, dass während der Schicht von Niels H. die
Sterberate und die Zahl der Reanimationen stieg.

Das Klinikum Oldenburg trennte sich von dem verdächtigen Pfleger und
stellte ihm sogar ein gutes Arbeitszeugnis aus. Eine Warnung an das
Klinikum Delmenhorst blieb aus. Auch dort gab es bald Gerüchte, weil
auffällig viele Patienten während der Schicht von Niels H. starben.
Später lagen auch handfeste Beweise vor: Zwei frühere Oberärzte und
der Stationsleiter werden deshalb wegen Totschlags durch Unterlassen
vor Gericht stehen.

Von einem großen Versagen hatte die Deutsche Stiftung Patientenschutz
gesprochen. Tätern werde es in Krankenhäusern und Pflegeheimen immer
noch zu leicht gemacht. In vielen der bundesweit 2000 Krankenhäusern
seien die Kontrollmechanismen nicht verschärft werden.