Leben im Dienst der Menschlichkeit: Ärzte reformieren Mediziner-Eid Von Hinnerk Feldwisch-Drentrup, dpa

Der hippokratische Eid ist ein Symbol für das ärztliche
Berufsverständnis. Die moderne Version davon gibt es seit fast
70 Jahren. Nun wurde sie geändert - zumindest etwas.

Berlin (dpa) - «Ich schwöre und rufe Apollon den Arzt und Asklepios
und Hygieia und Panakeia und alle Götter und Göttinnen zu Zeugen an,
daß ich nach meinem Vermögen und Urteil diesen Eid ... erfüllen
werde»: Mit diesen Worten beginnt der hippokratische Eid, der bis
heute ein Symbol für das ärztliche Berufsverständnis ist. Er legt
fest, dass Ärzte ihre Behandlung am Nutzen für die Kranken ausrichten
und Schaden von ihnen abwenden sollen.

Mit der Deklaration von Genf hat der Weltärztebund im Jahr 1948 eine
moderne Version geschaffen. In ihr ist die Anrufung der Götter zwar
nicht mehr zu finden - doch wie schon mehr als 2000 Jahre vorher
beispielsweise die ärztliche Schweigepflicht. Auf seiner diesjährigen
Generalversammlung in Chicago hat der Weltärztebund die Deklaration
nun grundlegend reformiert.

«Die Neufassung hebt nun stärker als zuvor auf die Autonomie des
Patienten ab», erklärt zu diesem Anlass der Präsident der
Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery, der auch stellvertretender
Vorsitzender des Weltärztebundes ist.

Nach Ansicht des Tübinger Medizinethikers Urban Wiesing handelt es
sich um die «wichtigste und umfangreichste Überarbeitung» des Genfer

Gelöbnisses. «Zum ersten Mal wurde die Autonomie des Patienten
aufgenommen», sagt Wiesing. «Das war überfällig.» Der studierte A
rzt
und Philosoph berät den Weltärztebund in ethischen Fragen und war
auch selbst an der Überarbeitung beteiligt.

Vertreter von Medizinstudenten hatten zudem den Vorschlag
eingebracht, dass Ärzte anders als bisher nicht nur ihren Lehrern
gegenüber die «gebührende Achtung und Dankbarkeit» erweisen sollen.

So sollen Mediziner nach der neuen Version nun auch ihren Kollegen
und Studenten gegenüber den nötigen Respekt zollen. Außerdem geloben

Ärzte zukünftig, immer die Regeln der guten medizinischen Praxis
einzuhalten - und sich um ihre eigene Gesundheit zu kümmern, um
Medizin nach den höchsten Standards erbringen zu können. «Es gibt
gute Belege, dass überarbeitete oder kranke Ärzte in der Gefahr
stehen, keine gute Medizin zu praktizieren», erläutert Wiesing.

Gleichzeitig ruft die neue Fassung zu mehr Transparenz und
Kommunikation auf. «Ich werde mein medizinisches Wissen zum Nutzen
der Patienten sowie zum Fortschritt des Gesundheitswesens mit anderen
teilen», heißt es nun. Dies stellt beispielweise eine Aufforderung an
Ärzte dar, ihre Patienten angemessen über Diagnosen und Behandlungen
zu informieren, oder unliebsame Ergebnisse medizinischer Studien
nicht in der Schublade verschwinden zu lassen. Nach Untersuchungen
beispielsweise von Transparency International passiert letzteres im
Gesundheitsbereich bislang regelmäßig.

Doch welche Rolle spielt die moderne Fassung des hippokratischen Eids
überhaupt? Kürzlich hat Wiesing mit Kollegen eine Untersuchung
veröffentlicht, nach der das Genfer Gelöbnis weltweit bislang von nur
relativ wenigen Ärzteverbänden genutzt wird, um beispielsweise junge
Ärzte für eine verantwortungsvolle Berufsausübung zu sensibilisieren.

«Das Ergebnis ist ernüchternd», sagt Wiesing. Die Nutzung des
Gelöbnisses liege bislang weit hinter dem zurück, was es beanspruche.


«Eine Profession kann es sich nicht leisten, in einer globalisierten
Welt verschiedene Standards zu verfolgen», betont der Medizinethiker.
«Es gibt einen Kernbestand von moralischen Prinzipien, die gelten
überall auf der Welt - und die fasst das Gelöbnis zusammen.»

In Deutschland ist das Dokument Bestandteil der Berufsordnungen der
Ärzte. Unklar ist, ab wann die 17 deutschen Ärztekammern die neue
Version verwenden. «Aktuell liegt kein Zeitplan zu dem weiteren
Vorgehen vor», erklärte ein Sprecher der Bundesärztekammer. «Die
zuständigen Gremien werden sich jetzt mit dem Thema befassen.»