Hohe Stufen, Mini-Tasten: Ältere treffen auf viele Alltagshindernisse Von Petra Albers, dpa

Zu hohe Stufen, zu kleine Schilder, zu leise Ansagen: Ältere Menschen
fühlen sich im alltäglichen Leben mitunter benachteiligt - auch, wenn
keine Absicht dahinter steckt. Ein positiveres Altersbild könnte das
Bewusstsein dafür schärfen, meinen Experten.

Köln (dpa) - Das Preisschild ist kaum zu entziffern, der Weg in die
Arztpraxis führt über hohe Stufen, der Beitrag zur Kfz-Versicherung
erhöht sich plötzlich rapide: Ältere Menschen fühlen sich im Allt
ag
mitunter diskriminiert. «Es gibt viele Situationen, in denen Senioren
allein durch die Gestaltung der Umwelt benachteiligt werden - seien
es fehlende Rolltreppen zu U-Bahnstationen, keine Sitzgelegenheiten
in Geschäften oder technische Geräte mit winzigen Tasten», sagt die
Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen
(BAGSO), Ursula Lenz. Der Internationale Tag der älteren Menschen am
1. Oktober will den Fokus auf die Situation von Senioren richten.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet eine
nachteilige Behandlung, die ohne sachlichen Grund allein wegen des
Alters erfolgt. Bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gehen
nach Angaben von Sprecher Sebastian Bickerich jährlich etwa 3400
Beschwerden zum Thema Alterdiskriminierung ein. Die meisten davon
bezögen sich auf das Arbeitsrecht.

«Das Problem ist allerdings, dass es gerade in diesem Bereich viele
Ausnahmen gibt», erläutert Bickerich. Außerdem sei es für den
Betroffenen oft schwierig nachzuweisen, dass tatsächlich sein Alter
der Grund dafür ist, dass er zum Beispiel eine Arbeitsstelle nicht
bekommen hat. Ähnlich sei es, wenn es um verweigerte Bankkredite oder
den Abschluss von Versicherungen gehe.

Nach einer Studie des Deutschen Zentrums für Altersfragen (DZA) aus
dem Jahr 2014 gab etwa jeder zehnte Befragte ab 40 Jahren an, in den
zurückliegenden zwölf Monaten Altersdiskriminierung erlebt zu haben.
Die wahrgenommene Benachteiligung im Alltag steigt demnach mit
zunehmendem Alter.

Nach Ansicht von BAGSO-Sprecherin Lenz bewegt sich der Umgang mit
Älteren häufig in «Grenzgebieten zwischen missachtendem Verhalten,
Benachteiligung und Diskriminierung». Beispiele seien schwer zu
öffnende Verpackungen, der zunehmende Druck, Sachen online erledigen
zu sollen, oder auch zu kleine Preisetiketten im Handel. «Es ist zwar
ganz nett, dass manche Geschäfte Lupen zur Verfügung stellen - aber
warum macht man die Preisschilder nicht einfach so groß, dass man sie
lesen kann?»

Tatsächlich ist eine entsprechende DIN-Norm zurzeit in der Mache. Bei
dem Entwurf wurden nach Angaben des Deutschen Instituts für Normung
vor allem die demografische Entwicklung und die Bedürfnisse von
Menschen mit Sehbehinderung berücksichtigt. Der Handelsverband HDE
verweist überdies auf seine Initiative «Generationenfreundliches
Einkaufen». Mit diesem Zertifikat würden Läden ausgezeichnet, die
Kriterien wie gute Preisauszeichnungen, barrierefreie Zugänge und
Sitzgelegenheiten erfüllen.

Prof. Klaus Rothermund vom Institut für Psychologie der Uni Jena rät
beim Thema Altersdiskriminierung zu einer differenzierten
Betrachtungsweise: «Manchmal fühlen ältere Menschen sich
benachteiligt, ohne dass eine entsprechende Absicht dahinter steckt.»
So seien Aufschriften auf Produktverpackungen oft deshalb sehr klein,
weil dort wegen gesetzlicher Vorgaben immer mehr Informationen
untergebracht werden müssten. Wenn jemand leise spreche und schwer zu
verstehen sei, mache er das in der Regel nicht, um Senioren zu
ärgern.

Fakt sei jedoch, dass viele Ältere sich als «Menschen zweiter Klasse»

behandelt fühlten, sagt Altersforscher Rothermund. «Das hängt damit
zusammen, dass das Thema Alter in unserer Gesellschaft nicht
besonders positiv besetzt ist.» In der öffentlichen Diskussion
stünden oft Aspekte wie Rentenlücke und Gesundheitsprobleme im
Vordergrund. In der Werbung würden Produkte meist mit Attributen wie
jung, innovativ und dynamisch in Verbindung gebracht.

Die Herausforderungen der demografischen Entwicklung im alltäglichen
Leben praktisch umzusetzen, sei ein langwieriger Prozess, der in den
Köpfen beginnen müsse, meint BAGSO-Sprecherin Lenz und räumt ein:
«Für Junge ist es schwer, sich in die Lage Älterer
hineinzuversetzen». Die mit dem Alter einhergehenden Veränderungen -
etwa nachlassende motorische Fähigkeiten - könne ein jüngerer Mensch

sich schlichtweg nicht vorstellen. «Deshalb sollten Unternehmen und
Politiker viel häufiger Senioren als Ratgeber hinzuziehen», meint
Lenz. Ältere Menschen sollten sich nicht scheuen, immer wieder auf
Diskriminierungen hinzuweisen. Nur so könne in der Gesellschaft das
Bewusstsein dafür wachsen.