Experte: Bessere Arbeitsbedingungen bringt Pflegekräfte zurück in Job Von Ruppert Mayr, dpa

Alle reden von besserer Pflege. Doch keiner sagt, wie viel das kostet
und vor allem: wer das bezahlen soll.

Berlin (dpa) - Bessere Arbeitsbedingungen sind nach Ansicht des
Deutschen Pflegerates Voraussetzung dafür, kurzfristig gegen den
Personalnotstand in der Pflege anzugehen. Der Präsidenten des
Pflegerates, Franz Wagner, sagte am Dienstag im Deutschlandfunk, es
gebe Zehntausende ausgebildete Pflegekräfte, die den Beruf aufgrund
der hohen Belastung nicht mehr ausübten.

Ein weiteres «riesiges Potenzial» sei die «wahnsinnig hohe
Teilzeitquote in der Pflege» von 60 bis 70 Prozent. Wenn einzelne
Pflegende mehr Stunden arbeiten würden, wäre schon einiges erreicht,
erläuterte Wagner. Ausländische Pflegekräfte könnten hier nur eine

geringe Entlastung bringen.

In den stationären Pflegeeinrichtungen gebe es im Moment zwischen den
Bundesländern erhebliche Unterschiede bei der Personalausstattung.
«Und es ist eigentlich nicht einzusehen, warum Menschen in Bayern
oder Baden-Württemberg mehr Pflege brauchen als Menschen in
Niedersachsen oder Brandenburg», sagte Wagner.

Mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff der Bundesregierung sei
«ein sehr großer Fortschritt erzielt worden». Hier würden endlich
Menschen einbezogen, die an einer Demenz leiden, sagte Wagner.

Aufgrund des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes ist die Zahl der
Leistungsempfänger seit Jahresbeginn überproportional gestiegen. Bei
den Pflegekassen waren vergangenes Jahr 2,75 Millionen Männer und
Frauen registriert. Ende Juni 2017 waren es 3,1 Millionen und damit
350 000 Menschen oder 12,9 Prozent mehr. Das geht aus einer Antwort
des Gesundheitsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Fraktion
hervor, die der «Passauer Neuen Presse» (Dienstag) vorliegt.

Der Wechsel zu Jahresbeginn in ein neues Bewertungssystem hatte einen
Sondereffekt bewirkt, weil seither Demenzerkrankte gleichberechtigt
in die Leistungen einbezogen werden. Schätzungen waren davon
ausgegangen, dass allein aufgrund dieses Effektes die Zahl in 2017 um
200 000 ansteigt. Hinzu kommen dann noch die Menschen, die in diesem
Jahr neu pflegebedürftig werden. Deren Zahl lag in den Jahren zuvor
jeweils zwischen 100 000 und 150 000.

Das Gesundheitsministerium geht auch davon aus, dass die Zahl der
Pflegebedürftigen bis 2030 auf rund 3,6 Millionen steigt. Das
alternde Deutschland braucht demnach in den nächsten 10 bis 20 Jahren
pro Jahr zusätzlich etwa 20 000 Pflegekräfte.

In der ARD-Sendung «Wahlarena» versprach SPD-Herausforderer Martin
Schulz unter anderem, im Fall eines Wahlsieges seiner Partei in den
ersten 100 Regierungstagen einen Kurswechsel in der Pflegepolitik
einzuleiten. «In der Altenpflege wird die Würde des Menschen mit
Füßen getreten in vielen Fällen.» Nötig seien mehr Personal in de
r
Pflege, eine bessere Bezahlung der Pfleger und mehr Pflegeplätze.

Auch die Grünen sprachen sich dafür aus, mehr Pflegekräfte
einzustellen und sie besser zu bezahlen. «Wir brauchen mehr
Pflegekräfte. Deswegen haben wir gesagt, 25 000 in einem
Sofortprogramm», sagte Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt

am Dienstag im ARD-«Morgenmagazin». «Wir brauchen mehr und
bessere Bezahlung.»

Schlecht bezahlt wird vor allem in der Altenpflege. Nach Angaben der
Deutschen Stiftung Patientenschutz liegt in Deutschland das mittlere
Entgelt (Median) für Gesundheits- und Krankenpfleger bei 3240 Euro
brutto, wobei die Spanne von Region zu Region zwischen 2753 Euro und
3705 Euro liegt. Für Altenpfleger liegt das mittlere Entgelt bei 2621
Euro bei einer Spanne von 2217 Euro bis 3148 Euro. Wobei es deutliche
Unterschiede gibt zwischen Ost und West aber auch innerhalb der alten
Bundesländer.

Wagner rechnet damit, dass die Kosten für mehr Personal und bessere
Gehälter - in der ambulanten und stationären Pflege, aber auch bei
der Pflege im Krankenhaus - in die Milliarden gehen. Da müsse in den
Haushalten von Bund und Ländern entsprechend umgeschichtet werden.
Zudem sollte man die Überschüsse bei den Krankenkassen im Auge haben.

Die Bundesregierung hat mit den Pflegereformen eine Anhebung des
Pflegeversicherungsbeitrages von 2,05 auf 2,55 beschlossen. Das soll
jährlich mehr als 5 Milliarden Euro mehr bringen. Der Vorstand der
Patientenstiftung, Eugen Brysch, sagte, «mit den derzeit staatlich
vereinbarten Leistungen aus der Pflegeversicherung ist das nicht zu
stemmen. Es muss also eine Erhöhung um mindestens 25 Prozent geben»,
was einem weiteren Anstieg des Beitragssatzes um 0,65 Prozentpunkten
entspräche.