Krankenkassen: Pflegeangebote für den Alltag zu wenig bekannt Von Ruppert Mayr, dpa

Pflegebedürftige sollen möglichst lange selbstständig zu Hause leben

können. Das ist ein Ziel der Pflegereformen von Gesundheitsminister
Gröhe. Der Bedarf an Alltagsbetreuung wird wachsen.

Berlin (dpa) - Die Angebote der Pflegeversicherung für die Betreuung
im Alltag sind Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen noch viel zu
wenig bekannt. Der Vorstand des Spitzenverbandes der Gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV), Gernot Kiefer, sagte der Deutschen
Presse-Agentur: «Das muss sich ändern: Versicherte und
Pflegebedürftige sollten sich gezielt und direkt an ihre Pflegekassen
wenden.»

Nach dem Sozialgesetzbuch steht allen Pflegebedürftigen aller fünf
Pflegegrade ein Entlastungsbetrag von bis zu 125 Euro im Monat zu.
Dieser müsse beim Betreuungsdienstleister vorgestreckt werden und
wird dann von der Pflegekasse erstattet. Beispiele für
niedrigschwellige Entlastungsangebote sind stundenweise Betreuung,
Unterstützung bei sozialen Kontakten, Unterstützung im Haushalt,
Begleitung zu Aktivitäten außerhalb der Wohnung wie Einkauf oder
Kinobesuch.

Der GKV-Spitzenverband geht davon aus, dass der Bedarf an
niedrigschwelligen Pflegeangeboten weiter steigen wird. Der
Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbandes,
Peter Pick, sagte der dpa: «Niedrigschwellige Betreuungsdienste
ergänzen die Leistungsangebote der ambulanten, teilstationären und
stationären Pflege.»

Anfang des Jahres wurde Pflegebedürftigkeit neu definiert und in fünf
Pflegegrade (bisher drei Pflegestufen) unterteilt.
Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geht mittelfristig von
zusätzlich 500 000 Menschen aus, die nun in den Genuss von
Pflegeleistungen kommen können.

Niedrigschwellige Angebote können gerade für Menschen im Pflegegrad 1
eine sinnvolle Unterstützung im Alltag sein. Denn die Betroffenen
könnten ihren Alltag noch überwiegend selbstständig meistern. Sie
brauchten aber oft stundenweise Unterstützung im Haushalt oder bei
der Betreuung. «Ich gehe davon aus, dass der Bedarf an solchen
Angeboten steigen wird», sagte Pick.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte mit seiner dreistufigen
Pflegereform in der zu Ende gehenden Legislaturperiode auch das Ziel
verfolgt, dass Pflegebedürftige möglichst lange zu Hause gepflegt
werden sollen, statt stationär.

Nach den Worten Kiefers können Leistungen ambulanter Pflegedienste
heute deutlich flexibler als früher in Anspruch genommen werden.
«Pflegebedürftige und ihre Angehörigen entscheiden selbst, ob sie
verstärkt körperbezogene Pflege abrufen, Hilfe im Haushalt brauchen
oder eher Unterstützung im Alltag, um zum Beispiel gemeinsam
spazieren zu gehen. All das soll helfen, Pflegebedürftigen recht
lange ein Leben im eigenen Zuhause zu ermöglichen.»

Nach den Worten von Jörg Veil, Chef eines dieser ambulanten
Pflegedienste mit niedrigschwelligen Betreuungsangeboten, wird seine
Unternehmensgruppe HomeInstead (etwa Besser Zuhause) in diesem Jahr
mehr als 40 Millionen Euro Umsatz machen. Im vergangenen Jahr seien
es noch 20 Millionen Euro gewesen, sagte Veil.

Daran sei zu sehen, «wie stark wir aktuell wachsen. Das liegt
einerseits daran, dass wir noch viele junge Betriebe haben, die immer
mehr Kunden versorgen. Das liegt aber auch daran, dass sich die
Anzahl der Betriebe innerhalb der letzten 18 Monate verdoppelt hat.
Der Markt und der Bedarf ist da. Wir werden da auch gut angenommen»,
unterstrich Veil.