Hilflosen Rentner liegen gelassen: «Ich dachte, er schläft»

Ein hilfloser Mann liegt in einer Essener Bank. Vier Kunden sollen
ihn ignoriert haben, er stirbt später. Sie hätten den 83-Jährigen f
ür
einen schlafenden Obdachlosen gehalten, sagen zwei Angeklagte vor
Gericht. Zwei Polizisten hatten einen ganz anderen Eindruck.

Essen (dpa) - Im Prozess um den in einer Essener Bankfiliale
bewusstlos liegen gelassenen Rentner haben zwei der drei Angeklagten
ausgesagt, sie hätten den 83-Jährigen für einen Obdachlosen gehalte
n.
«Ich dachte, er schläft», sagte ein 61 Jahre alter Beschuldigter am
Montag vor dem Amtsgericht Essen. Dagegen schilderte ein
Polizeibeamter, der mit einem Kollegen zu der Bank gerufen worden
war: «Für uns war klar, dass es sich nicht um einen Obdachlosen
handelt.»

Die drei angeklagten Bankkunden, zwei Männer und eine Frau, müssen
sich wegen unterlassener Hilfeleistung verantworten. Alle drei
bedauerten ihr Verhalten. «Es tut mir wirklich sehr, sehr leid»,
sagte der 61-Jährige. Noch am Montag könnte nach Einschätzung des
Gerichts ein Urteil fallen.

Eine Überwachungskamera im Vorraum des Geldinstitutes hatte den
aufsehenerregenden Fall dokumentiert. Auf dem Weg zum Bankautomaten
stiegen demnach vier Menschen über den zusammengebrochenen
83-Jährigen oder machten einen großen Bogen um ihn. Dann verließen
sie die Filiale wieder - ohne dem Mann zu helfen. Erst ein fünfter
Kunde setzte einen Notruf ab.

Der Rentner war nach dem Vorfall im Oktober 2016 nicht wieder zu
Bewusstsein gekommen und eine Woche später gestorben. Ein Gutachten
ergab, dass er auch gestorben wäre, wenn ein Arzt eher gekommen wäre.

Die 39 Jahre alte Angeklagte sagte, sie sei schon öfter von
Obdachlosen belästigt worden. Ihr Verhalten beschrieb sie so: «Ich
gehe einfach nur rein, mache meine Erledigungen und gehe wieder.» Der
61-Jährige betonte, er habe früher schon einmal jemanden angesprochen
und sei dann beschimpft worden.

Der Senior war innerhalb weniger Minuten mehrfach rückwärts gefallen
und mit dem Kopf auf dem Fliesenboden aufgeschlagen. Nach einem
dritten Sturz blieb er liegen - mitten in dem Raum neben einem
Geldautomaten, wie die vor Gericht gezeigten Filme aus der
Überwachungskamera zeigen. Als die Polizei eintraf, habe der
83-Jährige noch seinen Namen nennen können und gesagt, dass er müde
sei, berichtete der Beamte.

Zunächst stehen drei der vier Bankkunden vor Gericht, die dem Rentner
nicht geholfen haben sollen. Das Verfahren gegen den vierten
Angeklagten wurde wegen dessen Gesundheitszustandes abgetrennt. Bei
dem 55-Jährigen wird noch geprüft, ob er verhandlungsfähig ist.